West Cork Irland by Wanderlust

Irland und das Wetter. Nach einer Schönwetterphase werden sich nun wieder Regentropfen in den Wettercocktail mixen. Mit dem nassen Lebenselixier von oben halten die Klagen über das irische Wetter in den Konversationen wieder Einzug.

Wir sind Weltmeister – auch im Nörgeln über das insulare Klima. Grund genug, einen meiner älteren Beiträge aus der virtuellen Kiste zu holen und das ewig-schöne Gemurmel über das Lieblingsthema Wetter zu befeuern. 

Die Krimi-Autorin Isabell Morf aus Zürich schreibt mir nach einem erfrischenden Irland-Besuch diesen  Kommentar zu einer Passage in meinem Buch Irland. ein Länderporträt:


Isabel Morf by Stefan JäggiGuten Tag Herr Bäuchle

Es gibt bei den Irland-Touristen noch einen Wettertyp mehr: nämlich den Wetterfan. Mein Mann und ich waren glücklich, der Hitzewelle in der Schweiz zu entfliehen und drei Wochen frische Luft, kühlere Temperaturen und eine hübsche Mischung aus Regen, Wind, Wolken und Sonne zu erleben.

Herzliche Grüsse

Isabel Morf

Zürich


Ich hatte ursprünglich nur sechs Wetter-Typen identifiziert und diese auch in meinem Buch beschrieben. Ein Dankeschön für die Ergänzung in die Schweiz, wo offensichtlich nicht so viel am wundervollen irischen Wetter herumgenörgelt wird ;-) Hier mein Originalbeitrag über das irische Wetter und die touristischen Wetter-Typen:

Nach einem herrlichen Sonnentag zieht ein warmer wolkenloser Sommertag auf über der Bantry Bay in West Cork, Irland. Es wird ein Tag für Sonnenanbeter, für Ausflügler, die den Fastnet Rock bei ruhigster See umrunden wollen, für Bergwanderer, die auf Sicht gehen und jedes Risiko vermeiden.  Ein Tag für den wetter-fühligen Deutschen in Irland.

So fällt es heute morgen schwer, über das Lieblingsthema der deutschen Einwanderer und Urlaubsgäste in Irland zu schreiben: das Wetter, das irische Wetter, das schlechte Wetter eben. Die Iren haben zahlreiche Euphemismen in die Welt gesetzt, die jeden Gast eigentlich aufhorchen lassen müssen: Sie lassen Champagner regnen, sie stehen tropfnass im “flüssigen Sonnenschein” (liquid sunshine), sie erleben “vier Jahreszeiten an einem Tag”, sie erkennen einen “lovely morning”, wenn es dem Urlaubsdeutschen schon die Schuhe auszieht vor lauter Wetterfrust  – und sie haben immer einen guten Grund ins Pub zu gehen, denn dort ist das Wetter immer gleich gut.

Irland Regen

Die Deutschen und das irische Wetter, das ist eine lange Geschichte, die Geschichte einer Hass-Liebe. Sie beginnt in der Phantasiewelt der gepflegten Vorurteile: Zig-Millionen Deutsche wollen eigentlich gerne einmal ins romantische Irland der Rosamunde-Pilcher-Landschaften, ins Land der Schafe, des Whiskeys und der Kerrygold-Butter reisen. Am Ende schaffen Jahr für Jahr nicht einmal 400.00 teutsche Reiselustige den Sprung über die zwei Meereskanäle. Zu sehr drohen schlechtes Wetter, Dauerregen, miese Laune – da geht man doch lieber auf Nummer sicher, bucht das Ticket mit Schönwettergarantie nach  Malle und Los Kanaros, an die schöne blaue Adria, die Strände von Alexis, Julio, Mehmet oder Giovanni. Warum auch nicht. Gott hält seine nasse Hand schützend über die Grüne Insel, der gütige alte Mann mit Bart (und Regenmantel) hat Petrus den Auftrag zur Dauerbewässerung und Judas das Mandat zur permanenten Falschmeldung erteilt: In Irland regnet es immer.  Ständig. Und dauernd. Ganz sicher. Nicht.

Die deutschen Irlandreisenden, die es schließlich doch wagen und die es auch schaffen, im Land des vermeintlich ewigen Regens anzukommen, lassen sich in diese sechs Wetter-Typen aufteilen – wobei der Irland-Deutsche in Klima-Fragen leicht zur Hybridisierung neigt:

1. Der Wetter-Nörgler

Mit skeptischem Blick auf das Smartphone stellt er mindestens dreimal am Tag familien-öffentlich fest, dass es in Deutschland gerade wieder drei Grad wärmer und zehn Millimeter trockener ist. Der Feststellung folgt eine kritische, meist mit negativen Untertönen durchsetzte Würdigung des lokalen Kleinklimas. Der Nörgler neigt zu Selbstvorwürfen: Eigentlich hat er es aufgrund akribischer Vorstudien ja gewusst, dass das Wetter in Kerry kühler ist als das auf Gran Canaria.

2. Der Wetter-Leidende

Eigentlich die Wetter-Leidende, denn WLs sind oft weiblich. Sie neigen zum kalten Fuß; wenn ihr unruhiger Blick nicht gerade den Himmel nach Regenwolken abscannt, sucht er die Räume im Automodus nach Heizkörpern und Thermostaten ab. Wetter-Leidende werden oft in drei Schichten Fleece gehüllt angetroffen und verlangen gerne nach Wärmflasche und Dauerheizung. Im Kuschelbettchen unter warmen Decken ist Irland einfach am schönsten. Auch über einem Gläschen Hot Whiskey lässt sich das Leid besser ertragen.

3. Der Wetter-Kolumbus

Ein ganz schräger Vogel. Er will nach Indien und landet in Amerika. Er will sich im Süden im heißen Sand wälzen und “friert sich in Lahinch die Eier ab”, wie er das selber ausdrückt. Er ist der wahre Doofkopp der Reise-Community. Denn eigentlich hätte er wissen können, dass der Ire auf dem Breitengrad von Hamburg keine Kokospalmen aberntet.

Dingle Irland4. Der Wetter-Engel

Der Wetter-Engel (m/w) ist ein häufig anzutreffendes Geschöpf. Es hat seine großen Momente im herrlichen Sonnenschein, im Dauerschönwetter und in der ein- bis zweiwöchigen Regenpause. In seinem Narzissmus schreibt sich der Wetter-Engel den Umstand schönen Wetters oder absolut trockener Tage und Wochen immer selber zu. “Wenn Engel reisen . . .” spricht die Wetter-Engelin viel-sagend und lässt ihr Gegenüber angesichts dieser mächtigen metaphysischen Kräfte staunend zurück. Wer wollte einem gottähnlichen Wetter-Engel widersprechen.

5. Der Wetter-Fatalist

Der Wetter-Fatalist nimmt das Wetter wie es ist. Er lebt nach dem Wahlspruch: Ändere, was Du ändern kannst und nehme den Rest gelassen an. Den Wetter-Fatalisten gibt es in der Version des Vorbereiteten, der sich alle Varianten vom Sonnenbrand bis zu leichten Erfrierungen vorstellen kann und mit entsprechender Kleidung vorsorgt.  Die Version des sorglosen Wetter-Fatalisten verfügt in der Regel über eine robuste physische Konstitution. Der Regen perlt an seiner Teflon-Haut ab, die UV-Strahlung reflektiert er unbeeindruckt in den Äther zurück.

6. Der Wetter-Tolerante

Dem Wetter-Fatalisten nicht unähnlich, befindet sich der Wetter-Tolerante noch auf dem Weg. Er ist sozusagen der Oberstufen-Schüler in der großen Wetterschule. Betont bemüht scheut er keine Anstrengung, um sich dem Wetter gewachsen zu zeigen. Ob´s stürmt oder schneit, der Wetter-Tolerante ist allzeit bereit, den Schritt vor die Tür zu wagen. Koste es, was es wolle. Der Wetter-Tolerante hat vor Reiseantritt meistens eine niedrige vierstellige Summe in Funktionskleidung investiert, denn er lebt nach dem Wahlspruch: “Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur schlechte . . . . “. Genau.

Wetterfahne Cork Irland

Man kann das irische Wetter allerdings auch ganz positiv sehen. Nach über einem Jahrzehnt im vermeintlichen Dauerregen Irlands meint zumindest der Wanderer:

1. Das Wetter in Irland ist fabelhaft: Es schützt dieses Land vor allerlei – vor allem aber vor mittelmeerischem Massentourismus.
2. Das Vorurteil über das Wetter ist famos: Die Wirklichkeit gelingt immer besser als ihr Ruf.
3. Oder schlechter. Die Wirklichkeit im Sommer 2011 im Südwesten Irlands sieht so aus: Das bislang regenärmste Jahr seit zwei Jahrzehnten lässt Brunnen, Teiche und Bäche austrocknen. Die Wasser-Depots sind erschreckend leer. Wer einen Garten hat, muss ständig wässern. Mehr Regen wäre Gärtners Segen. Mehr Sonne auch.
4. Es lebe das irische Wetter. Es lebe das herrliche Dauergemurmel über das irische Wetter. Ein Hoch auf  die irische Regenpause – auf die fünfminütige genauso wie auf die sechswöchige.
ed200815

 

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