Irland ist nur auf den ersten Blick ein friedliches Land. Im dichten Grün der Insel tobt ein lautloser Kampf um Raum, Luft, Licht und Überleben: Jahrzehntelanger Stellungskrieg, Verdrängungskampf um jeden Preis, Territorial-Schlachten, Invasion der Außer-Insularen: Der ewige Krieg der Pflanzen ereignet sich vor unser aller Augen, und wir sehen und hören ihn nicht. Oder nur selten.  


Irland war für die Großmachts-Briten in Zeiten des Empires der exotische Vorgarten Nummer eins. Im milden Klima Hibernias sammelten sie weltweit alles, was sich ausgraben ließ und drängten es, in der alten Welt erfolgreich Wurzeln zu schlagen. Im Viktorianischen Zeitalter karrte der anglo-irische Landadel die internationale Pflanzenwelt nach Irland und schuf die hervorragendsten Gärten im westlichen Europa. 


Viele deportierte Grünlinge starben ab, andere kümmerten sich durch die Jahrzehnte, die meisten aber gediehen im milden Klima der Grünen Insel prächtig – und einige fühlten und fühlen sich in Irland noch wohler als zuhause in Chile, in Kalifornien oder in Japan. Sie haben nach einigen Dekaden der Eingewöhnung ihre Eroberungsfeldzüge in die Fläche angetreten und  würden, wenn sie Menschen wären, regelmäßig Bulletins mit den neusten Erfolgen und Errungenschaften herausgeben.    


Sie tragen illustre Namen: Montbretie (Südafrika), Rhododendron Ponticum (Georgien und Spanien), Japanischer Riesenknöterich (Japan), Chilenische Myrte oder Mammutblatt (Gunnera). Sie kamen nach Irland, um zu bleiben und sie nutzen im Kampf der Pflanzen ein subtiles Waffenarsenal, das ihnen Jahr um Jahr beträchtliche Geländegewinne beschert. Diese invasiven Pflanzen breiten sich auf Kosten der heimischen Flora aus  – es ist die grüne Variante der  Globalisierung.   


Irlands Menschen haben sich in den vergangenen Jahren wohlstandsgetrieben weitgehend aus der Fläche verabschiedet. Die Weiden wachsen zu, die Pflanzen übernehmen. Ab und an allerdings stört es Menschen, dass sich die Landschaft auf der Insel rapide verändert. Während manche meinen, dass man auch dem heimischen Ginster, dem Gagelstrauch und dem Adlerfarn Einhalt gebieten sollte, fokussieren sich andere auf die Eindringlinge (ob sie deshalb insgesamt fremdenfeindlich sind, ist nicht ausgemacht) und fordern, dass die Grüne Front zurückgedrängt wird. 


In Cork und Kerry arbeitet vor allem der Rhododendron Ponticum daran, das Bild der irischen Landschaft nachhaltig zu verändern. Auf Achill Island im nordwestlichen County Mayo übernimmt derweil der Chilenische Riesen-Rhabarber Gunnera Tinctoria Hektar um Hektar.  Die als Einzelexemplar beeindruckende Pflanze mit den riesigen Blättern ist den Bewohnern von Achill längst unheimlich geworden: Vor Jahren schon versuchten sie in einer gemeinsamen Kraftanstrengung, das expansive Mammutblatt mit Einsatz von Traktoren loszuwerden – und verbreiteten die Samen der Gunnera mithilfe der Traktorräder unfreiwillig über die gesamte Insel.


Nun soll der Kampf der Menschen gegen die eindringenden Pflanzen, die von ihresgleichen vorerst nicht mehr gestoppt werden können,  erfolgreicher geführt werden: Auf Achill werden in der kommenden Woche freiwillige “Krieger” die Blätter und Stiele der Zehntausende zählenden Gunneras abschneiden. Danach wird das Pflanzengift Glyphosphat in die Wurzeln gespritzt. Und keiner weiß wirklich, welche Hintertür die südamerikanischen Eindringlinge dieses Mal nehmen, um sich weiterhin im irischen Nordwesten zu vermehren.  Wir werden sehen.