Fünf Kilometer westlich vom Dorf – eingekesselt zwischen dem Eagle´s Nest und dem Sugarloaf Mountain – liegt das Coomerkane Valley. Ein verborgener Ort, an dem man die Stille hören kann, ein der Welt entrücktes Gletschertal, auf den die Sonne ein besonderes kontrastreiches Licht wirft. Hier hat David Puttnam anfang der 90er Jahre Szenen für das irische Remake des Filmklassikers “Krieg der Knöpfe” gedreht.
Es ist ein regnerischer Tag, ich suche den früheren Lehrer E. und finde sein Haus bald. Es ist eins von zehn, zwölf im Ort. Es liegt verlassen. Ein vorbeikommender Bauer erzählt, die Frau sei länger schon ausgezogen. Der Lehrer sollte eigentlich hier sein, doch alle Rollos sind heruntergelassen, die Müllsäcke hinter dem Haus von Tieren ausgeweidet, der Garten bleibt sich selbst überlassen, die Vegetation holt sich Stück um Stück die ihr abgetrotzte Hofeinfahrt zurück. Noch eine gescheiterte Einwanderer-Liaison im romantischen Irland.

Immer wieder müssen Menschen feststellen, dass sie die selbstgewählte Einsamkeit in der irischen Idylle zu zweit nicht aushalten, dass das zivilisatorische Vakuum dieser kargen, fast menschenleeren Landschaft sie seelisch implodieren lässt, sie an ihre Grenzen bringt – und manchmal darüber hinaus. Wer nicht mit sich allein sein kann, ist meist auch zu zweit alleine. Die Desillusionierung, die Ent-Täuschung über sich, über die romantische Illusion, über den anderen endet dann mit der Trennung.
Wir sahen hier in Irland viele Einwanderer-Träume platzen: Der Schriftsteller, der Fotograf, der Psychologe, der Töpfer, der Muschelsucher, die Aussteigerin, die Gärtnerin – sie alle kamen nach Irland, um sich zu trennen. Manche sprechen vom Land der Wahrheit. Die Wahrheit scheint banaler: Wo die Ablenkung fehlt, kommen man und frau schneller auf den Punkt: entweder auf den gemeinsamen oder darauf, dass genau der fehlt. Da nützt auch die schönste Nationalpark-Kulisse nichts.
Das Coomerkane Valley: ein Teich, ein kleiner monoton glucksender Fluss, friedlich grasende Kühe, die senkrechte aufsteigende, mit weißen Flechten bewachsene Felswand des Eagles´ Nest, in dessen Höhlen sich vor 400 Jahren die Kämpfer des O´Sullivan-Clans vor den Engländern versteckten; über dem vom Fluss geteilten Dorf der “See der zwölf Kühe” – und unweit davon die Ruinen eines zweiten, lange verlassenen Dorfes.
Weggehen gehört in diesem Landstrich zur Tradition. Wenn im langen nassen Winter die Strahlen der Sonne nur dann und wann, für Minuten vielleicht, flüchtige Gäste im Tal sind, dann lockt manchen die Vorstellung, dass das Gras auf der anderen Seite, anderswo, weit weg, viel grüner sein muss.