Die Bäume Irlands

Eine Serie von Elisabeth Firsching

Buche in Ardnagashel, West Cork

Buche in Ardnagashel, West Cork

 

Bäume: Sie waren lange vor uns hier, sie sind stets um uns herum, sie sind (meist) stille Begleiter unseres Lebens; sie überdauern uns und werden hier sein, wenn längst neue Menschen-Generationen die Erde bevölkern. Werden sie? Zumindest werden sie solange hier sein wie Menschen auf der Erde siedeln. Und umgekehrt. Denn ohne sie gibt es kein menschliches Leben auf der Erde: Ohne Bäume auch keine Menschen. Die Bäume sind die archaischen Begleiter des Menschen durch die Zeiten.

In einer neuen Serie auf dem Irland Blog werden wir die Bäume Irlands vorstellen. Wir werden fragen, welchen Bezug die keltischen Vorfahren der Iren zu den Bäumen hatten und wie die Vorstellungen vom Keltischen Baumkreis und vom Keltischen Baumhoroskop in die Welt kamen. Unsere Autorin Elisabeth Firsching aus Biedermannsdorf bei Wien wird künftig jeden Monat einen einheimischen Baum Irlands vorstellen und über seine Bedeutung im irischen Leben, im Volksglauben und in der Naturheilkunde berichten. Sie wählt die Bäume nach dem Kalendersystem des Keltischen Baumkreises aus.

Die Kelten, viel besungene und legendäre Vorfahren der Iren, die 600 Jahre vor Christus auf die Insel kamen, um dort rund 1000 Jahre lang den Ton anzugeben, gelten als ein Volk, das in Einklang mit der Natur lebte. Der Baum stand im Zentrum ihres Weltbilds. Aus der Wahrnehmung des Baum-Unniversums entwickelten sie die Ogham-Schrift und den keltischen Kalender. So zumindest interpretierte es der “Erfinder” des keltischen Baumkalenders, der Schriftsteller Robert Graves. Graves förderte mit seinen Werken ganz maßgeblich den bis heute faszinierenden Kelten-Mythos und befeuerte unsere Phantasie dort, wo wir tatsächlich wenig wissen: vom wirklichen Leben der Kelten und von ihrem Verhältnis zu den Bäumen.

Unter den Baum-Keltologen gibt es bis heute unterschiedliche Betrachtungen des keltischen Baumjahres, doch die Kardinalpunkte stimmen überein. Insider berufen sich zuerst auf den Autor von “Die weiße Göttin” , Robert Graves (1895 – 1985), dessen Nachfahren noch heute ein prächtiges Anwesen in West Cork bewohnen. Der Literat der mit vollem Namen Robert von Ranke-Graves hieß, hat sich in seinem 1948 erschienenen Buch über “eine historische Grammatik poetischer Mythen” mit dem Thema des keltischen Baumalphabets Ogham intensiv auseinander gesetzt. Dieses Alphabet – je nach Quelle “Beth-Luis” oder “Beth-Luis-Fearn” genannt, besteht aus dreizehn Konsonanten, welche wiederum jeweils den dreizehn Mond-Monaten und eben dreizehn Bäumen und Sträuchern zugeordnet werden. Die Monate der einen Zählart erstrecken sich von Neumond zu Neumond und beginnen nach der Wintersonnenwende (längste Nacht des Jahres am 21. Dezember), bei der zweiten werden die Monate ab Samhain (die Nacht vom 31. Oktober zum 1. November) von Vollmond zu Vollmond gezählt. Die Bäume (bzw. Sträucher) im Keltischen Baumkalender sind: Birke, Eberesche, Esche, Erle, Weide, Weissdorn, Eiche, Ilex, Hasel, Weinrebe (!), Efeu, Wasserholder (Schneeball), und Holunder.

Vor kurzem besuchte ich gemeinsam mit einigen tausend anderen Menschen ein Konzert von Sting in Wien. Nach ein paar Liedern war aus der Vielzahl von einzelnen Menschen eine Einheit mit dem Sänger und den Musikern entstanden. Die Einen aktiv, die Anderen passiv, waren wir durch die Musik miteinander verbunden. Sting hatte sich einmal einem wissenschaftlichen Experiment unterzogen, das die Aktivität seiner Gehirnströme maß, während er komponierte oder an ein Musikstück dachte. Während bei normalen Alltagstätigkeiten häufig eher die linke Gehirnhälfte arbeitet, waren bei ihm beide Hälften aktiv. Die rechte Gehirnhälfte arbeitet ganzheitlich, in Bildern, im Jetzt, und kennt keine Trennung. Alles das, was in unserem westlich aufgeklärten Denken der Gegenwart als möglicherweise unreal, phantastisch oder im besten Fall als künstlerisch bezeichnet wird, spielt sich in der rechten Hemisphäre des Gehirns ab.

Im Mittelalter herrschte ein eher magisches, „abergläubisches“ Denken vor. In Irland war der Feenglaube noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein verbreitet, viele Geschichten erzählen davon. Als ich einmal einen Farmer fragte, warum man eigentlich auf den Weiden die Steinkreise und Standing Stones nicht weggeräumt hätte, meinte er ein wenig verschämt, die Leute würden fürchten, damit Unglück auf sich zu ziehen. Da ging mir ein großes Licht auf, unzählige Sagen berichten detailreich von der Rache der Fairies und Leprechauns. Diese kollektiven Übereinkommen haben bis heute Auswirkungen: Sie schützen altes Kulturgut und weisen auf etwas hin, was in der aufgeklärten westlichen Gesellschaft weitgehend verlorengegangen ist.

Menschen früherer Jahrhunderte setzten möglicherweise im Alltag vermehrt die rechte Gehirnhälfte ein. Sie waren mehr als wir auf die Natur angewiesen und mit ihr verbunden. Sie hatten dadurch viele Informationen zur Verfügung, zu denen wir heute schwer Zugang finden, denn wir sind von klein auf konditioniert, logisch und nachvollziehbar zu denken und zu handeln.

So stehen wir meist ein wenig hilflos lächelnd vor den Geschichten, die sich auf magische Zusammenhänge zwischen uns Menschen und der Tier- und Pflanzenwelt, ja sogar der Welt der Steine beziehen. In einem Steinkreis stehend werden wir möglicherweise neugierig auf das Warum und Wie. Es fehlt der Missing Link, der Zugang zum Sinn und Zweck, den es irgendwie ja geben muss.

Irland hat eine reiche Tradition in Dichtung und Musik und führt in seiner Folklore in tiefe Schichten dessen, was Menschen mit der Natur und dem Kosmos verbindet. Dies macht einen Teil der Faszination aus, die Menschen empfinden, wenn sie auf die magische Insel kommen. Jenseits des Glaubens, der auf Angstmache begründet ist und immer auch bestimmten Interessen diente, existiert eine tiefere Dimension der Realität, nach der sich viele Menschen insgeheim sehnen: Sie macht aus der zerstückelten Welt ein Ganzes und erfüllt manches Rätselhafte mit Sinn. Aus diesen Quellen nähren sich der Neo-Pagansimus und das Neo-Keltentum, Bewegungen, die vor allem auf den britischen Inseln in den vergangenen Jahren enormen Zulauf haben. Diese Bemerkungen leiten eine neue Serie auf dem Irland Blog ein, die sich mit den Bäumen des Keltischen Baumkreises beschäftigt.

Das Keltische Baunhoroskop unterstellt eine magische Beziehung der Kelten zu den Bäumen. Wir wissen, dass wir nichts Genaues über die Beziehung der Ur-Iren zu den Bäumen wissen, und das heute allgemein beliebte Keltische Baumhoroskop geht in seiner deutschen Übersetzung auf eine Abschrift eines polnischen Gartenkalenders aus den 80er-Jahren zurück. Dieser widerum hatte sich bei der franzözischen Frauenzeitschrift „Marie Claire“ bedient, in der 1971 eine Artikelserie über das Keltische Baumhoroskop erschien – die Beiträge hatten ihren Nektar widerum aus Robert Graves Buch The White Goddess gesogen, und der war ein Meister der freien Interpretation und der Phantasie. Tatsache aber ist: Die Welt der vor-christlichen Kelten und das alte Wissen um die Bäume ziehen viele Menschen heute wieder in ihren Bann.”

Die Autorin: Elisabeth Firsching. Elisabeth schreibt den Blog www.kleinefreude.blogspot.com

Bevor wir uns den einzelnen Bäumen des Keltischen Baumkreises zuwenden und mit der Beschreibung des Dezember-Baumes Holunder beginnen, möchte ich allgemein auf die Beziehung zwischen Menschen, Bäumen und dem Kosmos eingehen. Für keltische Gelehrte war der Baum Bindeglied zwischen Himmel (Krone) und Erde (Wurzeln) und damit heilig. Bäume führten den druidischen Hauptlehrsatz von der Unendlichkeit des Lebens und der Endlichkeit des Todes fortwährend vor Augen. Ein Laubbaum im Winter war zwar “tot” aber nur “auf Zeit”. Ein Immergrüner veranschaulichte die Durchsetzungskraft des Lebens.

Fehlende schriftliche Zeugnisse und die Zeit überdauernde Tempel machen es schwer, die
Kosmologie der Kelten nachzuvollziehen. Sicher ist, dass sie als naturverbundene Menschen ihre heiligen Handlungen im Freien in Verbindung mit heiligen Bäumen vollzogen. Ein heiliger Baum diente als territorialer Mittelpunkt und war für einen Stamm der “Stammbaum”. Dieser Stamm-Baum spiegelte auch das Gedeihen des Clans und seine Verbundenheit mit den Göttern wider. Die Namen der Bäume wurden für Orts-, Stammes- und Eigennamen herangezogen. Sie waren auch Grundlage für die Ogham-Schrift, die der geheimen Verständigung zwischen den Weisen, also Barden (Dichter) und Druiden (Priester) diente, denn die Buchstaben standen nicht nur für bestimmte Laute, sondern auch für die magischen Kräfte der Bäume.

Als heilig belegt sind Birke, Eberesche, Esche, Weide, Weißdorn, Eiche, Steineiche, Haselstrauch, Efeu, Schilf und Hollunder. Jeder Baum hat natürlich seine eigene Charakteristik, eventuell auch Heilkraft. Da nähern wir uns den Themen, die uns aufgeklärte Menschen heute wieder mehr und mehr zu interessieren beginnen. In Europa, wo dichte Besiedlung und Infrastruktur ausgedehnte Wälder abgelöst haben, scheint eine Sehnsucht nach mehr Verbindung zur Natur mehr als gut nachvollziehbar.

 

Irlands Bäume: Der Holunder (1)

Wir beginnen unsere Serie über die alten Bäume Irlands mit dem Holunder (Sambucus nigra), dem dreizehnten Mitglied des Keltischen Baumkreises, der in der Naturheilkunde als eine vielseitige Pflanze bekannt ist. Er ist eigentlich kein Baum, sondern ein Strauch, der uns allgegenwärtig und fast unscheinbar begleitet. Es ist Zeit, ihm etwas mehr Aufmerksamkeit entgegenzubringen und das nicht nur der Grippetees wegen, die meist Holunderblüten enthalten. Lebender Medizinschrank und mächtige Schutzpflanze, kein Baum konnte da mithalten, zu jedem Haus und Hof gehörte durch viele Jahrhunderte hindurch der Holunder als eine Art pflanzliches Familienmitglied. Bevor Menschen kleinen bunten Pillen vertrauten, um gesund zu werden, kam der Holunder gegen vielerlei Leiden zum Einsatz.

Die Zeit zwischen dem 25. November und der Sonnenwende gehört im Ogham-Alphabet dem Buchstaben Ruis. Dieser umschreibt das magische Wesen des baumartigen Großstrauches, bedeutet “Schicksal (abwenden)” und auch “drohendes Unheil”. Jedoch auch Verzauberung und Zauberstab liegen in diesem Namen verborgen: Mit einer Rute des Holunder oder Elderberry (Sambucus nigra) kann das ausklingende Jahr begleitet werden, Altlasten ausgetrieben werden. Die hohlen Zweige eignen sich zudem dazu, eine Feen-Flöte (faerie flute) zu bauen, vielleicht wusste man in frühen Zeiten die guten Feen damit anzulocken.

Ich würde dieser Pflanze gerne einen weiblichen Artikel geben, denn sie wurde bei den Kelten als Verkörperung der Erdenmutter gesehen und auch in anderen Kulturen immer weiblichen Gottheiten zugeordnet. Die Menschen begegneten ihr jedenfalls mit großem Respekt. Kamen sie an einem Strauch vorbei, zogen sie den Hut vor „ihr“. Auch manche Angst war mit ihr verbunden. In Irland wurde man ins Feenreich verschleppt, sollte man versehentlich unter einem Hollerbusch eingeschlafen sein. Welch großer Wert ihr beigemessen wurde, kann man daraus schließen, dass zu Tode kommen würde, wer sie unbedacht fällte.

Der Holunder wächst meist vieltriebig mit überhängenden Ästen. Innen weiches Mark, außen zeigen die Triebe eine rissige Rinde. Im Frühling ist sie eine der Ersten, sie treibt sehr rasch und verschafft sich so einen entscheidenden Vorteil gegenüber anderen Pflanzen. Man findet sie auch jetzt noch überall, wo Menschen wohnen. Ist es, weil sie bewusst gepflanzt wird? Nicht nur, denn sie sucht die Menschen und ist immer schnell zur Stelle, wächst dort und da neben einem Stall, einer Scheune oder einem Haus. Haltet im Frühjahr Ausschau nach ihr, ihr werdet staunen, wie verbreitet sie zu finden ist! Allerdings erst im Mai, wenn sich die cremig-weißen Schirmchen der Blüten öffnen, vorher kommt sie recht unscheinbar daher. In manchen Jahren, wenn das Frühjahr feucht genug war, steht die Landschaft im Brautkleid, so über und übervoll mit den herrlich zart duftenden Blüten präsentiert sich manche Holunderhecke.

Bis zur Reife der tiefdunkelvioletten kleinen Beeren vergeht ein Sommer und der Kontrast von Blüte zur Frucht könnte größer nicht sein. Die Blüten so unschuldig und zart, die Früchte intensiv färbend. Es wäre doch einen Versuch wert, die Geschenke der Elder wieder mehr in Anspruch zu nehmen. Im nächsten Frühjahr mit einem erfrischenden Saft aus den Blüten vielleicht, oder im Herbst mit Holunderpfannkuchen aus den Beeren? Es könnte der Beginn einer neuen, wohlschmeckenden Freundschaft werden.

 

Die Birke (2)

Mit der Wintersonnenwende begann das neue Sonnenjahr. Die Tage werden länger, im Keltischen Baumkreis gehört die Zeit vom 24. Dezember bis zum 20. Januar der Birke. Der zugeordnete Buchstabe im Ogam Alphabet ist das B, der keltische Name lautet Beth. Auch ihr lateinischer Name klingt hier an: Betula. Kein anderer Baum kann die Energie dieser Zeit besser verkörpern als die Birke, die im Baumkalender auf den Holunder folgt.

Wir können uns die Birke als ein Wesen vorstellen, das sich ungestüm die Welt erobern will und dabei recht anspruchslos in ihren Bedürfnissen ist. Vierzig verschiedene Arten wollen Neuland besiedeln, ob der Boden sandig oder moorig ist, spielt dabei weniger eine Rolle. So war es die Birke, die Europa in weiten Teilen nach der letzten Eiszeit bedeckte, als es begann wärmer zu werden. Wenn uns im Frühjahr erste zarte Blätter entgegenleuchten, so sind es die der Birken. Sie treiben, als gäbe es kein Morgen.

Die Birke galt von alters her als Symbol für das Frühlingserwachen und gab den Bauern Hinweise für den richtigen Zeitpunkt, um mit bestimmten Arbeiten zu beginnen. So ist es nicht verwunderlich, dass die Birken mit der Wiedergeburt in Verbindung gebracht wurden, umso mehr sie sehr viel Licht brauchen. Ihr wunder Punkt sozusagen, sie brauchen Freiheit und Licht, um überhaupt keimen zu können und um sich gut zu entwickeln. Birken wachsen zu Beginn schnell und können in den ersten sechs Jahren bereits eine Höhe von sieben Metern erreicht haben.
Wir alle kennen das Erscheinungsbild dieser Baumart mit der weißlich-silbrigen Rinde, den dünnen, weichen, hängenden Zweigen und den hellgrünen Blättern. Wenn ich sie mir vorstelle, ist sie derjenige von all den Bäumen, der am ehesten mit uns spricht. Sie hält viele Töne in ihrem Repertoire. Sie wispert und rauscht, manchmal raunt sie sachte, fast immer macht sie sich akustisch bemerkbar. Mein Vater erzählte mir, er hätte einmal Birken klingen gehört, nach einem Eisregen, als die vereisten Triebe aneinander schlugen und wie von Feenhand ein zartes Glockenspiel erklingen ließen. Wenn ich das nur auch einmal hören könnte! Die Birke wirft sich mit einer großen Fülle an Samen, die sich in den Kätzchen im März bis Mai entwickeln, in die Schlacht um die Vermehrung. Aufgrund dieser Eigenschaft wurde sie auch immer mit Fruchtbarkeit assoziiert. Wiegen mussten aus Birkenholz gefertigt sein, um Unheil vom Neugeborenen abzuwenden. In unseren Tagen kämpfen allerdings viele Menschen mit allergischen Reaktionen auf die Birkenpollen in der Frühlingsluft.

Fast alle Teile der Birke fanden für alle möglichen Zwecke eine besondere Verwendung. Die berühmteste und möglicherweise durch die Jahrhunderte wichtigste wird ein schmerzhemmender Stoff in ihrer Rinde sein, der den Grundbaustein für das Aspirin bildete.

Zum Schluss möchte ich noch etwas Persönliches zur Birke erzählen. Als ich vor einem halben Jahr ein Profilfoto für meinen Blog suchte, gefiel mir das Bild, auf dem ich Birken umarme am besten. Es ist im Derrynane Garden in Kerry im Südwesten Irlands entstanden. Dass die Birke in ihrem keltischen Ursprung Beth hieß, passt vorzüglich zu meinem Vornamen Elisabeth und natürlich zu diesem Projekt. Das alles wusste ich damals noch nicht. Es scheint ein wenig, als hätten mich die Bäume verpflichtet. Nun, dieser Aufgabe stelle ich mich gerne, liebe ich sie doch sehr.

 

Die Eberesche (3)

Die Eberesche (Sorbus aucuparia) folgt der Birke im Keltischen Baumkreis und steht für die Zeit vom 21. Januar bis 17. Februar. Oft auch Vogelbeerbaum genannt, ist sie botanisch nicht mit der Esche (Fraxinus) verwandt. Lediglich ihre gefiederten Blätter sind denen der Esche ähnlich. Im altirischen Ogham-Alphabet ist sie dem L mit dem Namen Luis zugeordnet. In Irland wird die Vogelbeere Rowan oder Mountain Ash genannt.

Die Vogelbeerbaum erscheint am eindrücklichsten im Herbs. Wer diesen Baum einmal bewusst zu dieser Jahreszeit wahrgenommen hat, wird ihn nicht mehr vergessen. Die schwere Fülle an intensiv leuchtend roten oder orangefarbenen Beeren lässt die Krone des anmutigen Baumes im Spätsommer rund werden, wohingegen er das restliche Jahr über eher schlank und oval in Erscheinung tritt.

Ein paar Monate später im Januar sind nur mehr die feinen Zweige der Dolden übrig, jede einzelne Beere wurde von Vögeln abgeerntet, die neuen Kräfte schlummern noch in der Tiefe, aber nicht mehr lange. Der Vogelbeerbaum, äußerst frostresistent, gut verwurzelt und anspruchslos, steht früh in den Startlöchern für das neue Vegetationsjahr. Nicht nur die Mutterpflanze treibt verlässlich aus, die Vögel verteilen die Samen weithin, überall sprießen die Ebereschensämlinge und geben ein Zeugnis ihres vitalen Dranges Wurzeln zu schlagen.

Für die keltischen Druiden symbolisierte die Eberesche den Sieg des Lebens über das Sterben. Ihre Kräfte konnten neu beleben und lebensfeindliche Elemente niederringen. Vogelbeer-Ruten und getrocknete Beeren gehörten zum Inventar jedes weisen Mannes, wie auch der heilkundigen Frauen in Europa. Mit ihrer Hilfe konnten Winterkrankheiten geheilt werden, denn die herb schmeckenden Früchte enthalten neben anderen heilbringenden Inhaltsstoffen viel Vitamin C. Von den getrockneten Beeren über Mus und Werkzeug aus seinem harten Holz, in den alten Zeiten wurde gern und oft auf diesen heiligen Baum zurückgegriffen. Auch an den Orakelstätten wuchsen immer Ebereschen, sie halfen während der Rituale die Verbindung zur Anderswelt herzustellen und die Dämonen zu bezwingen. Mit Hilfe ihrer Ruten wurde nach Bodenschätzen gesucht und Schutz vor Blitzschlag und bösen Geistern erwirkt. Leider ist inzwischen viel Wissen im praktischen Umgang mit diesem Baum verloren gegangen. Manche “Anwendung” wird aber noch immer gepflegt, wie das Destillieren der Beeren. Der Vogelbeerschnaps hat in den Alpen einen festen Platz unter den gebrannten Spezialitäten.

“Ich sah aus dem Fenster und mein Blick fiel auf die reifen Früchte eines wunderschönen Vogelbeerbaums. Mein ganzer Kopf voller vertrockneter Beeren, durchfuhr es mich, über ein Problem vor mich hin brütend. Wie sollen sich neue Blüten bilden, wenn noch die alten Früchte den Platz einnehmen. Die Eberesche draußen ließ anmutig ein Blatt fallen. Ich dankte ihr von Herzen, kreisende Gedanken würden mich nicht weiterbringen, ein neuer Ansatz musste her.

Ich stand auf, ging hinaus zu ihr. Meine Welt hatte sich in diesem Moment ein wenig verwandelt. Es wird neue Früchte geben. Die alten müssen nun endgültig den Platz räumen. Ein bisschen möchte ich jetzt noch lauschen, wie ein sanfter Wind durch ihre Zweige streicht. Stubenhockerin, tadelte sie mich leise, aber mit Nachsicht. Nun, ich war da und bereit für Neues!”

 

Die Esche (4)

Die Jahreszeit zwischen dem 18. Februar und dem 18. März gehört im Keltischen Baumkreis der Traueresche / Weeping Ash (Fraxinus Excelsior Pendula). Landläufig ist uns eher die Gemeine Esche (Fraxinus Excelsior) vertraut, wir kennen sie als ausdrucksstarken Einzelbaum. Die Esche gibt im Ogam-Alphabet dem Buchstaben Nion seinen Namen. Nion symbolisiert durch die Verbindung von Sonne und Wasser die Wiedergeburt, den ewigen Kreislauf allen Lebens. In der keltischen Tradition hatte dieser Sonnenbaum Macht über das Wasser; der Eschenspeer galt als das Symbol für den Sonnenstrahl, der das Wasser der Erde befruchtet. Die Esche ist also ein Kind des sonnendurchfluteten Wassers. Sie braucht tiefgründige, nährstoffreiche und feuchte Böden, greift mit großer Wurzelausdehnung Raum in der Erde und baut luftige, gleichmäßig geformte Kronen, wo nach Möglichkeit jeder Zweig Raum für sich hat und noch Licht zum Boden durchlässt. Junge Bäume entwickeln schnell sehr lange Triebe, gewinnen rasch an Höhe. Eschen tolerieren salzige Luft, exponierte Lagen, selbst Luftverschmutzung macht ihnen nichts aus; wenn allerdings der Grundwasserspiegel fällt, können sie rasch absterben. Kaum ein anderer Baum war den keltischen Druiden, aber auch anderen Völkern um die Zeitenwende so heilig wie die Esche. Mit den Eigenschaften ihres Holzes diente sie der Menschheit durch Jahrtausende – und es verwundert nicht, dass sie diese herausragende Bedeutung hatte. Eschenholz ist hart, zäh, schwer, dabei aber sehr elastisch und splittert nicht. Es schwindet wenig, ist gut zu bearbeiten und es brennt auch frisch geschlägert gut. Man verwendete es für Werkzeugstiele, Kufen, Deichseln, Zäune, Ruder, Bootsrippen, Feuerquirl, Musikinstrumente und – Speere.
In der “Schlacht der Bäume” heißt es nach Robert Ranke-Graves:
Grausam der Eschenbaum
Weicht keinen Fußbreit zur Seite
Direkt aufs Herz zielt er

In der Götter- und Symbolsprache spielte der Speer aus Eschenholz europaweit eine wichtige Rolle, hier schließt der Lichtspeer des Erzengel Michael noch an die Sonnengötter alter Völker an, die stets mutig die dunklen Mächte bekämpften. In Irland diente Eschenholz den Druiden unter anderem als Mittel, um das Wetter zu beeinflussen und Ertrinkende zu retten.

Mitte des 19. Jahrhunderts, als die Kartoffelfäule auf der Insel zu einer großen Hungersnot führte, machten sich Millionen Iren auf nach Amerika. Die meisten hatten auf der Überfahrt in überladenen Schiffen einen Splitter diese Holzes bei sich. Es sollte sie vor dem Ertrinken bewahren.
Es fiel mir schwer, die Botschaft der Esche anzunehmen. Ich ging tagelang herum, ohne dass die Kommunikation mit ihr klare Formen bekam. Schließlich gab ich den offensichtlichen Widerstand auf und mit schneidender Klarheit stand die bittere Erkenntnis da. Die klare Symbolik der Esche verlangt uns Entscheidungen ab, die nicht leicht fallen. Hier geht es um das Gleichgewicht zwischen oben und unten und darum, Verantwortung zu übernehmen:

Die Esche wächst bereitwillig, nicht Wachstum für sich ist das Problem unserer Kultur und unserer Zeit, sondern dass wir den Boden unter den Füßen verlieren. Selbst mächtigste Eschen sterben ab, wenn die Versorgung in der Tiefe nicht mehr klappt. Wachstum um jeden Preis, Ausbeutung der Ressourcen, gut zu leben auf dem Rücken von anderen Menschen, die Vergiftung unserer Erde, dies führt zwangsläufig zum Niedergang. Auch dann, wenn man noch so viel gehortet oder vorgesorgt haben sollte.

Seien es Menschen oder die Erde, wenn wir nicht begreifen, dass wir Menschen alle in demselben Boot sitzen und folglich das Schicksal Einiger immer mit dem aller Anderen zusammenhängt, kann keine Stabilität und keine Prosperität auf Dauer aufrechterhalten werden. Dazu muss wohl jeder von uns ehrlich sehen, auf welchen Grundlagen unsere Lebensführung steht und er/sie muss Verantwortung dafür übernehmen. Was heute im arabischen Raum, in der Weltwirtschaft, in ökologischen Belangen geschieht, ist auch mit unserem Leben, wie wir es führen, eng verbunden. Hinschauen und bereit sein für Veränderung – so lautet der Auftrag.

Die Esche lehrt uns Fülle durch das Gleichgewicht der Kräfte. Nicht Linearität, sondern Denken in Kreisläufen ist das Gebot der Stunde. Nicht mehr und nicht weniger. Es gibt viel zu tun.

 

Die Erle (5)

Die Erle

Die Erle

Der deutsch-britische Schriftsteller Robert Graves wollte wissen, dass der Kalender, auf dem der Keltische Baumkreis begründet ist, um die 5000 Jahre alt ist. Nach Graves Rekonstruktion im Buch “Die weiße Göttin” herrscht die Erle (Alnus, Alder) im Jahreskreis über den Zeitraum vom 18. März bis zum 14. April. Ihr Name im Ogham-Alphabet ist Fearn, die zugehörigen Buchstaben sind F und V.

Wir können uns nur schwer vorstellen, welchen Reim sich die Menschen vor tausenden Jahren zu verschiedenen Aspekten ihres Lebens gemacht haben. So wie wir leben, in den Städten weitgehend von der Natur abgekoppelt, können wir kaum nachempfinden, welche Ängste das Denken unserer Ahnen bestimmt hat und warum sie an Geister und Elfen geglaubt haben. Mit der Erle begegnen wir nun ehemals finsteren Welten.

Heute fürchtet sich wohl kaum jemand noch vor Sümpfen oder davor, im Moor der weißen Frau oder Hexen zu begegnen, getötet und als ein Anderer wieder lebendig gemacht zu werden. Wir fühlen das Unheimliche in einem Erlenbruch nicht mehr, wir nehmen höchstens seine Erscheinung gemäß der herrschenden Jahreszeit wahr. Für uns ist die Natur weitgehend unbeseelt.Wir stehen ihr oft merkwürdig neutral und sehr distanziert gegenüber.

Die Erle wächst bevorzugt auf staunassen, nährstoffreichen Standorten. Mithilfe eines Bakteriums, das in ihren Wurzelknöllchen symbiotisch lebt, bindet sie Stickstoff aus der Luft und kann damit im Wasser stehend auch länger anhaltendes Hochwasser überleben. Sie befestigt mit ihren tiefreichenden Wurzeln das Ufer von Bachläufen, kein Sturm kann sie entwurzeln, so gut verankert ist sie. Unter Wasser ist Erlenholz konkurrenzlos langlebig, gerade auch als Totholz, sodass Erlenstämme seit alters her für die im Wasser benötigten Stützen von Pfahlbauten verwendet wurden. Aus den verschiedenen Bestandteilen, wie der Rinde oder den Blättern wurde schwarze und braune Farbe gewonnen. Das Holz eignet sich gut zum Beizen, Polieren und Lackieren. Es  wird gerne, auch weil es sehr leicht ist, als Furnierholz verwendet.

Der morastige Erlenbruch ( Der Begriff “Bruch” bezeichnet eine sumpfige Gegend) war früher ein unheimlicher Ort, den man nach Möglichkeit mied. In der Vorstellung der Menschen diente er als großer Kessel für die Totengöttin. Im Moor waren die Opferstätten zu finden. Da wurde Leben beendet und auch wieder geboren. Große transformatorische Kräfte waren hier am Werk. In den sumpfigen Gründen, wo nur mehr Erlen wachsen konnten, war das Reich der Weißen Göttin in ihrem verwandelnden Aspekt. Die einfache Landbevölkerung wusste tausende Geschichten aus diesen unheimlichen Landschaften zu erzählen. Im Erlenbruch gab es Irrlichter, die gruselige Schauer über den Rücken jagten. Er war das Zuhause der Geister von Selbstmördern und Ertrunkenen, das auch nach dem einfachen Wanderer griff und ihn nie mehr losließ. Ein großer Teil Irlands ist von Hochmoor, feuchten Gründen entlang von Gewässern und Seen bedeckt, kein Wunder, dass auch die Sagenwelt mit Erzählungen aus diesen Landschaften durchdrungen war.

Unsere Ahnen waren sich der unbezähmbaren Macht der Natur bewusst und versuchten mit Ritualen, Beschwörungen und Opfern die Naturgewalten positiv zu stimmen. Auch wenn das nicht immer gelingen mochte, hatten sie doch Respekt vor der Macht der Elemente, sich darüber zu stellen, kam einem Frevel gleich. Wie wir wissen, hat sich das mit der Moderne gründlich geändert. Respekt und Mäßigung den Ressourcen der Erde gegenüber sind keine Werte mehr. Wir haben uns über ihre Gesetze gestellt und bilden uns ein, diese gewaltigen Kräfte beherrschen zu können. In diesen Tagen, beinahe zeitgleich mit der Herrschaft der Erle, wird uns durch das Erdbeben in Japan und die Katastrophe im Atommeiler Fukushima einmal mehr kollektiv und machtvoll vor Augen geführt, wo unsere Grenzen liegen.

Die Erle wurde von den Vorfahren mit allerlei Unheimlichem assoziiert

Der Glaube an die zerstörerische Macht der Weißen Göttin diente unseren Ahnen als Projektionsfläche für die unbeherrschbaren Kräfte der Natur. Das zu verdrängen, die Achtung vor der Größe, Stärke und Schönheit unserer Mutter Erde zu verlieren, kann uns Menschen in die Irre führen, wie denjenigen, der den Irrlichtern im Moor folgt und darin verloren geht. Es ist hoch an der Zeit, uns wieder in Liebe der Erde zuzuwenden, sie als nährende Mutter anzuerkennen. Nicht aus Angst, sondern in dem Bewusstsein, mit unserem Körper immer mit ihr verbunden zu sein. Gut verwurzelt zeigt die Erle, dass es in der Natur viele Möglichkeiten gibt. Angepasst und stark hat sie ihre Nische gefunden und bietet einen Lebensraum für viele Tiere und Pflanzen. Auch von diesem heiligen Baum der Kelten können wir viel lernen.

 

Die Weide (6)

Ähnlich der Birke sind viele Menschen mit der Weide (Salix, englisch: willow) vertraut, auch wenn sie sich nicht sonderlich für Bäume interessieren. DieWeide kann uns mit ihrer einzigartigen Schönheit für sich einnehmen. Im Ogham-Alphabet ist ihr das S zugeordnet, ihr irischer Name ist Saille. Im Baumkalender steht die Weide für den Jahresabschnitt vom 15. April bis zum 12. Mai. Auch dieser heilige Baum braucht feuchte, nährstoffreiche Böden und ist der dritte Baum nach Esche und Erle, der im Keltischen Baumkreis stark mit dem Element Wasser verbunden ist; leicht nachvollziehbar, ist Irland doch reich an größeren und kleineren Seen und Wasserläufen, die ideale Lebensbedingungen für diese Baumart bieten.

Trauerweide in Blarney Castle

Es gibt zahlreiche Arten der Weide. Besonders bekannt sind die Salweide, die Silberweide, die Korbweide oder die Trauerweide. Es kommt leicht zu Kreuzungen verschiedener Arten, weswegen immer neue Merkmalskombinationen entstehen, die auch fortpflanzungsfähig sind. Die Weide verfügt über einige faszinierende Eigenschaften. In der Birke haben wir schon eine Pionierbaumart kennengelernt, die Weide hat ihr voraus, dass sie extrem schnell keimt, rasch wächst, eine hohe Regenerationsfähigkeit hat, aus abgebrochenen Ästen vital wieder austreibt und generell sehr ausschlagsfreudig ist. Wer kennt nicht die pelzigen, silbrig schimmernden Kätzchen der Salweide, die je nach Wetter schon Ende Januar erscheinen und sobald sie blühen die Hauptnahrungsquelle für den Bienennachwuchs stellen.

Die Samen der Weide sind die kleinsten unter den Baumsamen, können vom Wind sehr weit fortgetragen werden und keimen sofort oder gar nicht, da sie nur kurz keimfähig sind. Irland bietet das perfekte Klima für diese schnell wachsende Baumart. Bald nachdem die Blütenkätzchen abgeblüht sind, reifen die Samen heran und schnell schießen schon die ersten jungen Pflänzchen aus dem Boden. Nach einem Schnitt erscheinen unzählige biegsame und elastische lange Jungtriebe. Man nützte zu allen Zeiten diese Eigenschaften für die Herstellung von Körben, Zäunen und sonstigen Flechtwerken. Die sogenannten Kappweiden (Kopfweiden) werden regelmäßig bis zum Stamm geschnitten, damit sich viele Triebe bilden. Weidenrinde enthält den schmerzstillenden und antirheumatischen Stoff Salicin; schon die Babylonier kannten die heilbringenden Wirkstoffe der Weide. Erst in den letzten paar Jahrzehnten können Schmerzmittel auch synthetisch hergestellt werden. Bis dahin zählte der Grundstoff aus der Weide zu den wichtigsten Heilmitteln in der allopathischen Medizin.

Weiden werden zumeist nicht sehr alt, ihre Stämme bilden bald Hohlräume, die von Eulen und Fledermäusen gerne als Nistplätze genutzt werden. Die Weide wird mit den Kräften des Mondes und der Frauen assoziiert. Das zyklische Geschehen ist auch durch den schnell ablaufenden Vegetationszyklus leicht nachvollziehbar. Hexenbesen sollen aus Weidenzweigen gefertigt worden sein, Robert Graves verweist im Zusammenhang mit der Weide als Heiligem Baum auf Menschenopfer, die Mondgöttin und die Zauberei. Allzu durchgängig wurde heilkundigen Frauen in vergangenen Jahrhunderten viel Böses untergeschoben, dem ich hier aber nicht noch einmal Raum geben möchte.

Die Weiden, denen ich auf meinen Streifzügen durch die Natur begegnete, haben mich gebeten, dem Wahrnehmen Raum zu geben. Fasziniert von ihrer unermesslich großen vitalen Kraft suchte ich nach einem Zugang zu ihrer Stärke und bekam folgende Antwort: Weidensamen haben ein sehr kurzes Zeitfenster, um ihre Aufgabe zu erfüllen. Voll mit Plänen, Gedanken, jede Minute nützend, geht unsere Fähigkeit verloren, die “Gunst der Stunde” erkennen zu können. Auf Impulse aus unserem Inneren zu achten, intuitiv die Qualität der Zeit zu erkennen und danach zu handeln, mag nach außen hin nicht immer nachvollziehbar richtig sein. Wer dies allerdings beherrscht, merkt wie leicht das Leben werden kann, denn alles ist mit allem verbunden und wer die Zeichen erkennt, hat Zugang zum Fluss des Lebens. Dem Unsichtbaren Raum geben, sich treiben lassen, vertrauen, den besten Moment erkennen und dann handeln – dies ist eine hohe Kunst. “Hört auf zu kämpfen und lauscht dem Raunen des großen Geistes. Sie ist immer mit Euch!”

 

Der Weißdorn (7)

Weißdorn in Irland

In den letzten Wochen blüht in Irland der Weißdorn (Crataegus, Hawthorn). Er zählt zu den heiligsten Bäumen der Kelten und verzaubert die Menschen mit seiner Blütenpracht in der Zeit, die ihm im Keltischen Baumkreis zugeordnet wurde: vom 13. Mai bis 9. Juni. Der Weißdorn verkörperte im Ogham Alphabet das H, sein keltischer Name ist UATH.

Nüchtern betrachtet qualifizierte sich dieses eher strauch- als baumartig wachsende Gehölz zunächst als natürlicher Zaun für kleine Siedlungen und einzelne Gehöfte. Zusammen mit anderen dornigen Pflanzen bildet der Weißdorn dichte Abgrenzungen am Rande der Weiden. Vor dem Einzug modernerer Einrichtungen wie dem Stacheldraht und der Alarmanlage bot er Schutz für Menschen und Nutztiere vor wilden Tieren und plündernden Vaganten.

Weißdorn in Irland
Weißdorn wächst langsam und kann bis zu 600 Jahre alt werden.

Auch heute noch ist der Weißdorn ein wichtiger Bestandteil der Hecken in Irland. Zur Blütezeit im Mai verwandelt sich dieser je nach Unterart mitunter sparrig wachsende Strauch, der zur Familie der Rosengewächse gehört, in eine Art Brautstrauß der Natur, an dem man sich kaum satt sehen kann.

Das Holz konnte aufgrund seiner Härte sehr gut für Alltags-Gegenstände, wie Spindeln, Dreschflegel, Holznägel oder Wanderstöcke verwendet werden. Die Früchte, kleine rote, mehlige Beeren, wurden roh gegessen und zu Mus verkocht oder in Brot eingebacken.
Durch viele Jahrhunderte war der Weißdorn der weißen Göttin geweiht, später wurde er als Wohnstatt der Feen angesehen und sogar noch bis herauf in unsere Zeit mit Distanz und Ehrfurcht vereehrt. Wo er wuchs, gab es Pforten zur Anderswelt. In seinem Umkreis erschloss sich dem Kundigen die Möglichkeit Rat und Hilfe zu bekommen. Nach der Zeit der Druiden versuchten die Menschen die Feen mit auf Zweige gebundenen Stofffetzen sanft zu stimmen. Solche über und über behängten Büsche gibt es immer noch an manchen heiligen Plätzen in Irland und der Glaube, dass das Fällen eines solchen heiligen Baumes tödliches Unheil nach sich ziehen würde, hält sich in der Bevölkerung hartnäckig.

Weißdorn in Irland
Die Blüte des Crataegus

Blätter, Blüten und Früchte des Weißdorns enthalten Stoffe, die eine stärkende Wirkung auf das Herz haben, dabei aber sanft und nachhaltig wirken. Sie verbessern die Durchblutung des Herzmuskels und können auch über längere Zeit eingenommen werden. Gerade in unserer Zeit kommt dieser Heilpflanze besondere Bedeutung zu, Erkrankungen des Herzens gelten in der westliche Welt als häufigste Todesursache. Unsere von der Natur in weiten Teilen abgekoppelte und hektische Lebensweise belastet das Herz ganz allgemein.

Die Bereitschaft, dem Stärkeren Recht zu geben, den eigenen Vorteil als Richtschnur zu nehmen und Mitgefühl als entbehrlichen Luxus zu betrachten, lässt uns in einer herz-losen Gesellschaft zurück, die auf Geld und Macht und den Erhalt davon setzt. Vielleicht sollten wir uns auf die wunderbar unterstützenden Eigenschaften dieser alten Heilpflanze besinnen und uns öfter unter ihren Schutz begeben.

Andererseits besteht im Volksglauben nach wie vor eine ambivalente Haltung diesem Baum gegenüber. Er soll auch Menschen und Tieren Unheil gebracht haben, wofür allerdings die Ursachen stets in einem Fehlverhalten der Betroffenen zu suchen gewesen sein sollen.

Ich muss zugeben, dass ich beim Weißdorn eine geheimnisvolle Aura stärker als bei anderen heiligen Bäumen empfinde. Wie eine Art Tor in andere Welten zieht es mich in seine Nähe. Nach einer Weile eingestimmt, begegne ich mir in einem unbekannten Teil meines Selbst, ein kleiner Zipfel lüftet Farben, die bekannt und doch fremd erscheinen. Eine Ahnung von den Tiefen der Seele tut sich auf.

Die roten Beeren des Weißdorns

Würde der Weißdorn mich vor bedrohlichen Abgründen schützen, wie früher die Schafe vor den Wölfen? Würde er mir ein risiko- und schmerzloses Leben versprechen? Wohl kaum, so ist das Leben nicht. Aber wie in einem bedrohlichen Traum, in dem man sich seinen Ängsten stellt, dem Angreifer ins Gesicht sieht und über sich hinauswächst, verspricht ein mutiges Einlassen auf die Herausforderungen des Lebens einen großen Gewinn. Innere Stärke, Klarheit und Herzensbildung wären ein schönes Ziel. Immer wieder durch diese Pforte von der Oberfläche in tiefere Schichten des Seins zu treten, könnte uns helfen, mehr und mehr mit unseren inneren Ressourcen in Verbindung zu kommen.

 

Die Eiche (8)

Eiche im Inchiquin Valley, Beara Peninsula, Irland

Mit der Eiche (Quercus) haben wir aus Sicht der Kelten den Archetypus eines Baumes vor uns. Die Eiche herrschte über die Mittsommerzeit vom 10. Juni bis 7. Juli. Nach Robert Ranke Graves, dem großen Deuter des keltischen Baum-Universums, begründete sie als Hauptbaum das Keltische Baumalphabet. Der Eichenkult soll vor etwa 3500 Jahren von der Ostsee nach Britannien gekommen sein, die druidische Religion beruhte auf dem Kult um die Heilige Eiche. Ihr Name im Keltischen war DUIR, der Buchstabe D.

Zwei Eichen auf der Beara Peninsula

In vielen europäischen Sprachen geht das Wort für Tür auf das keltische Duir zurück. Altgälisch “dorus”, in der lateinischen, griechischen, deutschen, hebräischen und in weiteren indoeuropäischen Sprachen, sogar im Sanskrit (dwr) ist abzuleiten, dass Türen bevorzugt aus Eichenholz gefertigt waren, aber auch, wie kulturell eng verbunden dieser Kontinent gewesen sein muss. Die Eiche als ein sprachlich verbindendes Element zwischen den vielen verschiedenen Stämmen Europas und darüber hinaus. Ein faszinierender Gedanke.

“Thing” hießen die mehrtägigen Ratsversammlungen keltischer Stämme, die stets unter Heiligen Eichen (oder Linden) unter Teilnahme der Clanführer und Druiden ( siehe auch in diesem Wort die Verbindung zu Duir) abgehalten wurden. Hier wurde auch Recht gesprochen. Ein zeremonieller Ablauf und der Wille solange zu verhandeln, bis man zu einem, für alle be-fried-igenden Ergebnis kam, zeugen von einer hochentwickelten Kultur. Neben der griechischen sind auch hier alte demokratische politische Strukturen innerhalb Europas zu erkennen. Ein genauerer Einblick würde den Rahmen hier sprengen, nur so viel: In Island sind regelmäßig abgehaltene demokratische Versammlungen in Thingvellir vor tausend Jahren belegt, zur selben Zeit herrschten in Zentraleuropa Adelshäuser.

Eine raum greifende Eiche in Muckross, Killarney, County Kerry

Warum gerade die Eiche, könnte man sich fragen. Sie wächst bevorzugt auf Kreuzungen von unterirdischen Wasserläufen und Verwerfungen und zieht damit Blitze an. Der Spruch: “Eichen sollst du weichen, Buchen sollst du suchen”, der schon Schulkindern mitgegeben wird, weist auf richtiges Verhalten im Freien bei einem Gewitter hin. Die mehrstöckige Krone, eine tief reichende Pfahlwurzel und häufiger Blitzeinschlag bescherte der Eiche den Ruf, der Sitz eines Gottes zu sein, dessen Gesetz sowohl im Himmel, als auch auf der Erde und in der Unterwelt galt. Eichen können außerdem ein sehr hohes Alter erreichen.

Eichenholz ist zäh, hart und unverwüstlich, es überdauert Jahrhunderte und zählt zu den wertvollsten Nutzhölzern für Möbelbau und Innenausbau. Wir alle kennen die hervorragend recherchierten Comics von Asterix mit dem Abschlussbild auf der letzten Seite, wo man unter einer mächtigen Eiche tafelte, dass sich die Eichenbretter sprichwörtlich bogen. Bis zum 17. Jahrhundert gab es europaweit ausgedehnte Eichenwälder, mehrere hundert Arten waren gut an die unterschiedlichen Gegebenheiten angepasst. Besonders in meeresnahen Gegenden wurde in der Folge im großen Maßstab abgeholzt, weil man das Holz für den Schiffbau brauchte.

In Irland habe ich bearbeitetes Eichenholz entdeckt, das man aus dem Moor geholt hat, es ist manchmal mehrere tausend Jahre alt und bei Künstlern sehr beliebt, weil es sich wunderschön bearbeiten lässt. Medizinisch von Bedeutung ist die Rinde wegen ihres hohen Gerbstoffgehaltes, sie eignet sich zum heilen für Haut und Schleimhaut. Das aus den Eicheln gewonnene Mehl gehört zu den ältesten Nahrungsmitteln in Europa. Die  Früchte fanden als Viehfutter für Schweine Verwendung.

In Zeiten der Unsicherheit, vor wichtigen Lebensentscheidungen oder in Situationen wo Mut gefragt ist, kann es hilfreich sein die Nähe einer Eiche aufzusuchen. Sich Zeit lassen, sich bewusst für eine kurze Zeit aus dem Feld einer zur Gleichschaltung verführenden Mediengesellschaft auszuklinken und zu horchen, was aus dem eigenen Inneren aufsteigt, könnte zu überraschenden Ergebnissen führen. Unter einer Eiche kann die Verbindung zur inneren Kraft leichter gelingen oder Sicherheit gefunden werden, wenn es darum geht, eigene Wege zu gehen.

Wenn wir uns gleichzeitig auf die keltische “Kernkompetenz” der Eiche besinnen, könnte eine Versammlung einer kleineren oder größeren Gemeinschaft in schwierigen Fragen zu neuen Lösungen führen. Wäre es nicht einen Versuch wert, die Europäische Regierung in Arbeitsgruppen aus ihren Betonburgen zu holen und unter freiem Himmel mit dem Blick auf majestätische Bäume konferieren zu lassen? Undenkbar? Wir schmunzeln vielleicht bei diesem Gedanken.

Wie gut es geht, den Kopf freizubekommen und zu neuen Perspektiven zu gelangen, wenn wir  nach einem langen Tag innerhalb der vier Wände ins Grüne hinaus gekommen sind, haben wir alle sicher schon erlebt. Es wäre vielleicht gar nicht so dumm, etwas aufzugreifen, was vor vielen Jahrhunderten Menschen mit hoher Verantwortung dem Kollektiv gegenüber zum Erfolg geführt hat.

Verhandeln, bis weißer Rauch aus Eichenscheitern aufsteigt könnte die Devise lauten. Weißt du, wo in deiner Umgebung die nächste alte Eiche steht? Wann hast du sie das letzte Mal besucht? Es könnte der Baum sein, der deinen persönlichen Himmel mit der Erde verbindet und dich ein Stück auf deinem Weg weiterbringt.

 

Der Ilex (9)

 

Der Ilex gehört zu Irland wie das Kleeblatt und die Eiche: Ursprünglich war es wohl die Steineiche, die der Eiche im Keltischen Baumalphabet zwischen dem 8. Juli und dem 4. August folgte. Ihr Name war Tinne, der Buchstabe T. Der Gattungsname der immergrünen Steineiche – Quercus ilex – dürfte dann irgendwann zu einer Verwechslung geführt haben. Bei genauerer Betrachtung tun sich eine Menge Widersprüche auf, wenn es um den Baum dieses Monats geht. Da dem Ilex (Stechpalme, Ilex aquifolium) in Irland auch heutzutage eine große Bedeutung zukommt und wichtige Quellen diesen Baum in die Reihe der druidisch bedeutsamen Pflanzen einreihen, werden wir uns heute mit ihm beschäftigen. Mit der Stechpalme oder Stechhülse (keltisch: kolenno) stellen wir den ersten und einzigen immergrünen Baum in der Reihe der heiligen Bäume Irlands vor.

Die Kelten kehrten ihre Behausungen mit Besen aus den Zweigen des oft strauchartig wachsenden Baumes und wollten sich damit vor Verzauberung und bösen Geistern schützen. Einleuchtend ist der Platz im Jahreskreis, denn nun geht es mit den lichten Kräften wieder abwärts. Die Tage werden kürzer. Schön und von der Symbolik folgerichtig, sich an dieser Stelle mit einem immergrünen Baum vor Augen zu halten, dass nach keltischem Verständnis nach dem Tod die Wiedergeburt und neues Leben folgte.

Auf den Britischen Inseln hat die Christianisierung im Gegensatz zum kontinentalen Europa sanft eingesetzt. Oft übernahmen ehemalige Druiden die Priestergeschäfte, der Übergang erfolgte allmählich und so konnte mancher alter Zauber in die neue Zeit hinüber gerettet werden. Noch heute nach all den Jahrhunderten finden wir die Stechpalme mit ihren festen, glänzenden Blättern, wie auch die Mistel im angelsächsischen Raum zu Weihnachten als traditionellen oder stilisierten Schmuck in fast jedem Haus.

Der Ilex gedeiht am besten in gemäßigten Klima mit milden Wintern und feuchten Sommern und wächst schon seit der Steinzeit nachweislich in Gesellschaft von Eichen und Buchen. Durch ihre Eigenschaften prädestiniert sich die Stechpalme förmlich als Symbol für Unvergänglichkeit. Ihre ledrigen, glänzenden immergrünen Blätter, mit mehreren Spitzen bestachelt, sind wie die roten Beeren giftig. Auch abgeschnitten bewahren sie lange ihre Schönheit. Giftig sind sie für Menschen und viele Tiere, aber nicht für Vögel, denen die durch Frost erweichten Früchte als Winterfutter dienen. Für die Druiden sollen die roten Früchte weibliche Lebensenergie symbolisiert haben, während die weißen Mistelbeeren mit dem männlichen Samen verbunden waren.

Das Holz der Stechpalme ist hart und zäh und eignet sich hervorragend für die Herstellung von Werkzeug, Peitschen und Zauberstäben. Bei Fieber, Rheuma und Gicht kam die Droge aus den Früchten als Heilmittel zum Einsatz. Leicht vorstellbar, dass auch mal Menschen aufgrund falscher Dosierung ins Jenseits befördert wurde. Heute kennen wir die Stechpalme auch als eine wichtige Bachblüte, Holly.

Im Südwesten Irlands treffen wir häufig auf diese schöne Pflanze und kein anderer Baum oder Strauch zeigt sich so unterschiedlich in seiner individuellen Erscheinung. Manchmal dicht belaubt, dann wieder kahl bis an die Grenzen ihrer Krone. Manchmal trotzt sie Wind und Wetter und hält die Stellung als eine Art Wächterin, wo andere schon längst aufgegeben haben oder es erst gar nicht versuchten.

Öffentlich bekannten Persönlichkeiten gleich, treten Stechpalmen manchmal in den Vordergrund, als wollten sie ihre Individualität zur Schau stellen. Sie nehmen mehr Raum ein, als ihre sichtbare Gestalt. Als wäre da noch etwas mehr, was dazu gehörte. Sie geben aber auch Raum, indem sie sich auf geheimnisvolle Weise mit der Landschaft rundherum zu einem Ganzen verbinden. Als wären sie Hüterinnen eines mit unseren Augen nicht klar erkennbaren Reiches.
Manchmal mit anderen, manchmal auch ganz alleine. Unverwechselbar hingestellt.

Mein Blick bleibt an ihnen hängen und plötzlich spüre ich die Kraft, die in der Entfaltung individueller Potentiale liegt. Nicht immer geht das leicht, aber immer wird es sich gelohnt haben. Ist es nicht beeindruckend ältere Menschen zu treffen, deren äußere Erscheinung all die Herausforderungen widerspiegelt, die auftauchten und gemeistert wurden? Jahrzehnte gelebten Lebens hinterließen vielfältige Spuren. Schönheit eines reichen und langen Lebens. Form geworden, in Menschen und Bäumen.

Die Haselnuss (10)

Haselnuss Irland Bäume

In Irland wächst der Haselstrauch zum stolzen Baum. Mit der Haselnuss (Corylus avellana) begegnen wir einer erdgeschichtlich alten Pflanze. Pollenfunde belegen ihr Vorkommen rund um den Erdball schon vor der letzten großen Eiszeit. Für die Kelten galt der Heilige Baum mit Namen COLL als Baum der Weisheit. Es ist die Zeit der Fruchtreife, im Baumkreis die Zeit von anfang August bis anfang September. Im Keltischen Baumalphabet steht die Hasel für den Buchstaben C.

 

Bei den Kelten galt die Haselnuss als Vermittlerin zwischen der sichtbaren und der unsichtbaren Welt. In der Anderswelt lebten Götter, Feen, Geister und die Ahnen und diese Welt lag unmittelbar neben der Welt der Menschen. Der ständige Informationsaustausch zwischen diesen Welten war wichtiger Bestandteil des alltäglichen Lebens. Auf der einen Seite musste die Angst, unbeherrschbaren Kräften ausgeliefert zu sein bezähmt werden, auf der anderen Seite arbeitete man mit dem Bedürfnis, sich diese Kräfte zunutze zu machen.

 

Hasel

Mit der Ausbreitung des Christentums übernahmen Priester die Vermittlung zwischen Dies- und Jenseits, letzteres verwandelte sich in Himmel und Hölle und entfernte sich räumlich und zeitlich vom täglichen Leben der Menschen. Damit wurden die Dienste der Haselnuss und auch anderer heiliger Bäume nicht mehr gebraucht. Die Zusammenarbeit mit Mutter Erde war nicht mehr modern – mit all den bekannten Folgeerscheinungen.

Kein anderer der heiligen Bäume der Kelten wurde für so vielerlei Zwecke zu Hilfe genommen wie die Haselnuss. Vom Wetterzauber bis zu Ritualen für Fruchtbarkeit, in jedem Lebensbereich konnte man mit ihrer Hilfe den Rat aus der Anderswelt einholen. Sie hatte einen festen Platz in der keltischen Kunst und Wissenschaft, die Nuss galt als Symbol für konzentrierte Weisheit. Mit ihrer Hilfe gelang es leichter, bei schwierigen Fragen die richtigen Entscheidungen zu treffen, eben “harte Nüsse zu knacken”. Die Hasel begleitete die Menschen von ihrer Geburt bis zum Tod und darüber hinaus.

Mit Haselruten spürten die Druiden die Drachenlinien der Erde auf, also Bereiche, die bestimmte Energien leiteten, die man sich zu nutze machen wusste. Manche Radiästheten bevorzugen auch heute noch Wünschelruten aus gegabelten Zweigen der Haselnuss vor den Ruten aus Stahl, um Wasser im Untergrund aufzuspüren.

Die Hasel zeigt sich in der Regel als Strauch, viele Stockausschläge sorgen für einen dichten bis zu 5 Meter hohen Wuchs. Als Teil der Hecken kam ihr große Bedeutung zu, da ihre kräftigen, geraden Triebe für Stecken und Pfähle Verwendung fanden. Mit Haselnusszweigen wurden Zähne geputzt, die Haselnussschale wurde als “Messbecher” für Kräuterpulver verwendet. Den Kelten bot die Haselhecke Schutz vor Blitzschlag, Feuer, wilden Tieren und Krankheiten. Blütenkätzchen und Blätter wurden gegen Fieber und Entzündungen der Haut eingesetzt.

Haselnüsse

Die nahrhaften, fettreichen Nüsse dienten als wichtiger Fettlieferant für die Wintermonate. Heute wird vermehrt auf die hochwertigen Inhaltsstoffe dieser echten Nuss als Nervennahrung hingewiesen. Der Anteil der ungesättigten Fettsäuren liegt bei 88 Prozent und ist damit besonders wertvoll. Darüber hinaus wurde in Haselzweige alles Unerwünschte hineingezaubert und durch Verbrennen derselben Probleme gelöst.

Besonders schön finde ich die Auffassung, dass die Hasel den Menschen beim Finden des richtigen Lebenspartners helfen könnte. Wenn ein Liebespärchen in der Halloweenn-Nacht zwei Haselnüsse ins Feuer wirft und diese still nebeneinander verbrennen, sollte das auf eine gute Ehe hindeuten. Fallen die Nüsse jedoch krachend auseinander, haben unsichtbaren Hände der verstorbenen Vorfahren bekanntgegeben, dass sie dieser Verbindung keine Chance geben.

Für alle, die sich nicht für eine/n Geliebte/n entscheiden konnten, hat der englische Dichter Thomas Grey folgendes Orakelgedicht formuliert:

“Zwei Haseln warf ich in die Flammen,
und jeder gab ich eines Liebchens Namen.
Mit lautem Knall zersprang die erste schnell,
im Feuer leuchtete die zweite still und hell.
Ach, wenn doch deine Liebe so erblühte,
wie deine Nuss im Feuer glühte.”

Der Weinstock (11)

Die Weinrebe ein irischer Baum? Zu tief ins Weinglas geschaut? Moment! Der Wein wird heute in unserer Serie als “Mitglied” im keltisch-Irischen Baumkalender vorgestellt – obwohl der Weinstock in Irland keine wichtige Rolle spielt. Dass Wein hier überhaupt nicht wächst, ist allerdings auch ein Irrtum. Irland hat eigene Weingebiete. Sie sind klein, gut zählbar und konzentrieren sich in der Region Cork im Süden der Insel. Wer mehr wissen will, findet hierInformationen zum irischen Wein. Nun aber zum Bericht unserer Autorin Elisabeth Firsching, zu ihrem Porträt des Weins, der Pflanze, die im Keltischen Baumkreis den Monat September repräsentiert.

Wein in IrlandDer Kelten-Experte Robert Ranke-Graves wies in seinem Werk “Die Weiße Göttin” darauf hin, dass auch der Weinstock seinen Platz innerhalb der heiligen Bäume im Keltischen Baumkreis hat. Die Weinrebe wächst auch in Irland, sie kann allerdings hier nicht allzu gut gedeihen, zu kühl und zu feucht sind die Bedingungen. Dennoch findet sich die Pflanze oft in der bronzezeitlichen Kultur der britischen Inseln dargestellt. Die Weinrebe (Vitis vinifera) gibt dem Baumalphabet mit dem Namen MUIN den Buchstaben M. In die Reifezeit der Trauben fällt ihre Zuordnung im Baumkreis in die Zeit des Monats September.

Wein wird in Europa und Vorderasien nachweislich seit mindestens 7000 Jahren angebaut. Sumerer, Griechen, Gallier und Germanen kannten und konsumierten den vergorenen Saft aus den Trauben. Die Römer brachten den Wein auch nach England, wie überall dorthin, wo sie Truppen stationiert hatten. Sie sprachen diesem Getränk, das mit Wasser vermischt genossen wurde, heilende und stärkende Eigenschaften zu. Darüber hinaus war Wein aus hygienischen Gründen als Alltagsgetränk sicherer, denn sauberes Wasser war auf den Eroberungszügen nicht überall verfügbar. Geschmacklich konnte das damalige Produkt wahrscheinlich nicht mit heutigem Qualitätswein mithalten, war aber mit Sicherheit naturbelassener.

Abgesehen von den Inselkelten erzeugten die Kelten in Kontinental-Europa traditionell Wein und betrieben ausgedehnten Handel mit allen Völkern des antiken Europa. Als mehrjähriger Strauch mit bis zu 15 Meter langen Ranken gedeiht Wein auf lockerem, tiefgründigem Boden und verträgt keine Staunässe. Spricht man von Wein, denkt jeder sofort an das vergorene Getränk, so groß ist aufgrund dieser Verwendung seine kulturelle und soziale Bedeutung in Europa. Über 2000 Sorten werden heute kultiviert. Auch in der christlichen Religion kommt ihm in Schlüsselbereichen der kultischen Handlung eine tragende Rolle zu. Insofern ist hier durchaus Kontinuität in der religiösen Bedeutung des Weins seit den Kelten festzustellen.

Wein in Irland

Daneben treten die heilenden Wirkungen der Weinrebe im Bewusstsein der Menschen zurück. Die Inhaltsstoffe der Blätter wirken astringierend, der Blüten nervenstärkend, die der reifen Trauben blutbildend, allgemein stärkend und der Arterienverkalkung entgegen. Wer seine Verdauung und den Stoffwechsel etwas Gutes tun will, dem sei im Herbst eine Traubenkur empfohlen. Ein gesunder Genuss. Aber auch dem Wein selbst wird bei mäßigem Genuss vorbeugende Wirkung gegen viele Krankheiten nachgesagt.

“In vino veritas” lautet ein bekannter lateinischer Spruch. Im Wein liegt Wahrheit. Dass Wein die Stimmung hebt weiß jeder, der schon einmal mehr als ein Glas davon getrunken hat. Dass er ehrlich macht, bereuen manche spätestens am nächsten Tag, wenn die Wirkung verflogen und die Konsequenzen des Gesagten überdacht worden sind. Andererseits täte mehr Authentizität unseren Beziehungen sicher gut. Den Schlüssel für erfolgreiche Kommunikation zeigt allerdings das Blatt der Weinrebe auf. Es ist groß und herzförmig. Es lehrt uns, mit dem Herzen zu sprechen. Wer grundsätzlich seinen Mitmenschen mit Achtung begegnet, die aus Toleranz und Liebe erwächst, kann eigentlich alles sagen, ohne richtig verletzend zu werden.

Fröhlich, beschwingt und ganz dem gegenwärtigen Augenblick verpflichtet, weil das Morgen jetzt nicht wichtig und sowieso nicht aufzuhalten ist. Ein wenig von dieser Qualität täte immer wieder auch gut. Und wie immer gilt auch hier: Die Dosis macht das Gift.

A propos fröhlich: Die hervorragend recherchierten Comicbände von Asterix dem Gallier enthalten einige sehr amüsante Beispiele für die Wirkungen des übermäßigen Genusses von Wein. In Asterix bei den Briten etwa kommt es zu einem “Weinappell” im Palast des Statthalters von Londinium (London), von den römischen Legionären mit soldatischer Disziplin ausgeführt. Köstlich!

 

Der Efeu (12)

Die Bäume Irlands

Der Efeu im Keltischen Baumkreis: Angesichts majestätischer Kronen und mächtiger Stämme ist es leicht nachvollziehbar, dass Bäume in manchen Kulturen hoch angesehen waren. Was ist aber davon zu halten, wenn eine Kletterpflanze, eine rankende Liane auch zum Kreis der heiligen Bäume zählt? Auf den ersten Blick erscheint der Efeu (Hedera helix) gewöhnlich. Eine Pflanze, die einen Baum braucht, um mit ihren Haftwurzeln als Kletterhilfe in die Höhe wachsen zu können. Die Kelten ehrten ihn trotzdem, im Ogam-Alphabet war der Name GORT und der Buchstabe G dem Efeu zugeordnet und er repräsentierte den Zeitraum vom 30. September bis zum 27. Oktober.

Die Bäume Irlands

In diesem Monat schwindet das Sonnenlicht, die Natur beginnt Wachstum zurückzunehmen und sich auf eine Ruhephase vorzubereiten. Der Efeu treibt zwar im Winter auch nicht weiter, aber er wirft seine Blätter nicht ab. Dazu kommt: Wenn andere Pflanzen schon lange die Fruchtbildung abgeschlossen und ihre Samen ausgebracht haben, beginnt der Efeu erst zu blühen. Im September und Oktober erscheinen an älteren Pflanzen Blühsprosse mit gelbgrün blühenden Dolden, die dann im frühen Jahr dunkle kugelige Früchte ausbilden. Das bietet Wespen, Bienen,  Schmetterlingen und Vögeln eine wichtige, um diese Zeit seltene Nahrungsquelle.

Der irische Efeu (Hedera helix hibernica) ist besonders wuchsstark, das feucht-gemäßigte Klima Irlands bietet optimale Wachstumsbedingungen. Häufig kann man ihn an alten Bäumen empor klettern sehen, wo er sogar besenstieldicke Wurzeln ausbilden kann. Warum aber bekam er einen Platz im Keltischen Baumkreis? Nun, der Efeu kann als lebendes Fossil bezeichnet werden, es gab ihn schon in der Kreidezeit vor 100 Millionen Jahren. Die einzelne Pflanze kann bis zu 400 Jahre alt werden. Sie ist immergrün und ausdauernd, kommt mit verschiedenen Witterungen und auch mit Kälte sehr gut zurecht. Sie wuchert fast flächendeckend am Boden und kann bis zu 20 Meter in die Höhe klimmen. Wenn das nicht außergewöhnlich ist.

Die Kelten sahen in den zackigen, immergrünen Blättern des Efeu die fünf Aspekte der Göttin symbolisiert: Geburt-Initiation-Liebe-Regeneration-Tod. Möglicherweise kam der Efeu zu Samhain Ende Oktober, einem der wichtigsten Zeitübergänge im Jahreskreis zum Einsatz, um das Bewusstsein so zu verändern, dass die Grenze zwischen den Welten leichter überschritten werden konnte. Ob und wie mit Inhaltsstoffen des giftigen Efeu Trancezustände erreicht werden konnten, ist nicht sicher, wird aber von manchen Autoren vermutet.

Die Bäume Irlands

Selbst, wenn das nicht der Fall gewesen wäre, die Organsprache des Efeu lässt nichts zu wünschen übrig: Er ist stark in seiner archaischen Symbolik. Sehen wir uns die Triebe und Blätter an. Sie glänzen hell- und dunkelgrün voller Lebenskraft, machen nicht schlapp und wachsen unermüdlich weiter, wenn auch mit Pausen. In seiner Art beharrlich und unverwüstlich kann er als Symbol dafür dienen, dass es ewiges Leben gibt, selbst wenn ein Teil stirbt. Er zeigt den Tod als Zäsur, ein Wechseln in die Anderswelt. Nach einer Pause geht neues Leben in eine nächste Runde. Der Efeu schmiegt sich zudem an Bäume und windet sich an ihnen hoch und gibt so auch ein Zeugnis für Verbundenheit und Treue, er geht keine eigenen Wege und bleibt mit dem Baum verbunden.

Dazu kommt der unübersehbare Bezug zur Schlangenkraft, einer der mächtigsten archetypischen Symbole weltweit. Die Triebe winden und schlängeln sich aufwärts, bleiben dabei aber gerne im Schatten. Der Efeu hebt die normale Ordnung auf, nach der Wurzeln ausschließlich in der Erde ankern, er bildet mit seinen bewurzelten Trieben eine Art Himmelsleiter. Mehr als 200 verschiedene Efeuarten unterscheiden sich in Blattgröße, Form und Farbe. Die Pflanze ist in allen Teilen sehr giftig und schmeckt stark bitter. Zur Zeit der Kelten soll er dem Wein beigemischt worden sein, oft mit verheerenden Folgen. Heute finden die schleim- und krampflösenden Wirkstoffe des Efeu als Mittel gegen Husten Verwendung in der Pflanzenmedizin.

Bei der Vorbereitung auf diesen Beitrag zur Serie musste ich nicht weit gehen, schon einen Meter von der Haustüre entfernt wächst Efeu und nicht nur dort. Eigentlich ist er überall, nicht nur geduldet, sondern geliebt. Er fordert Zuwendung, verzeiht jeden Schnitt und glänzt oft als Tischschmuck auf der festlich gedeckten Tafel. Seine Botschaft? Er spricht besonnen, langsam und erzählt vom Geheimnis der Kontinuität. Alles ist mit allem verbunden. Nichts existiert für sich allein. Wenn wir das anerkennen, können wir Frieden in Vergangenem und Zukünftigem finden. Wenn wir anerkennen was war, können wir in Freiheit weitergehen.

Ohne Wurzeln kein Leben und auch kein nachhaltiges Vorwärtskommen. Zu Beginn einer jeden Entwicklung ist schon vorgezeichnet, wohin die Reise geht. Die Kelten wussten das und drückten es durch die ihren eigenen Schwanz verschlingende Schlange aus. Sie zeigt den Ewigen Kreislauf allen Seins. Ein starkes und schönes Symbol. Der Efeu verkörpert dieses Prinzip in der Pflanzenwelt und rührt damit am tiefen Geheimnis des Lebens.

Elisabeth Firsching, die Autorin dieses Beitrags und  der Serie “Die Bäume Irlands” (komplett zu lesen auf dem Irland Blog) schreibt ihren eigenen Blog Kleinefreude.

Merken

Merken

Merken

Merken

Merken

Merken