“Jesus died for somebody´s sins. But not mine.”
Patti Smith, Gloria (1975)

Heute ist Stiller Freitag, Hoher Freitag, Guter Freitag. Karfreitag. Der gute Christ fastet, schweigt und ehrt in aller Stille den Gottesknecht, der vor mehr als 2000 Jahren auf dem Jerusalemer Hügel Golgatha den Märtyrertod starb.

Der gute Fan in Limerick aber geht am Karfreitag zum Rugbyspiel und kippt sich davor und danach im Pub ein paar Biere hinter die Binde. Es ist das Bier der vermeintlichen Freiheit. Nichts symbolisiert den Machtverfall der Katholischen Kirche Irlands besser als die richterliche Preisgabe des strengen Karfreitags-Alkoholverbots zugunsten eines bedeutungslosen Rugbyspiels, wie es alle paar Monate stattfindet. Wer immer heute in Limerick gewinnt: Die Kirche hat verloren.

Karfreitag, der wichtigste Feiertag der irischen Katholiken, sieht im Jahr 2010 eine Kirche am Boden. Die in die Tausende gehenden Fälle von sexuellem und physischem Missbrauch durch Priester, Brüder und Schwestern sind seit fast einem Jahr das Schockthema auf der Insel – und die uneinsichtigen und alle Verantwortung von sich weisenden Reaktionen der Kirchen-Fürsten potenzieren die Wut und die Verzweiflung der erschütterten Katholikenschaft. Der läppische Hirtenbrief des Papstes, der sich für verantwortungsfrei und unantastbar hält, hat selbst im Kernland der katholischen Tradition Rücktrittsforderungen provoziert. Der letzte Papst ist allerdings vor mehr als 600 Jahren zurück getreten. Die verbohrten alten Männer im Vatikan bleiben uneinsichtig und starr.

So bleibt vielen Irinnen und Iren nur der Weg, sich selber von der Institution Kirche zu distanzieren. Dass Kirchenaustritte in Irland erst seit 2006 möglich sind und danach nur unter großen Schwierigkeiten gewährt wurden, sagt viel über den eisernen Griff der alten Macht im Staate, die den Menschen genauso wie der politischen Führung bis in die 90er Jahre Recht und Gesetz diktierte.

Waren es bislang nur eine Handvoll besonders Mutige, die ihren Kirchenaustritt vollzogen, so hat sich das nach der Veröffentlichung des Ryan Reports über institutionellen sexuellen Missbrauch in der Katholischen Kirche Irlands schlagartig geändert. Drei kirchen-kritische Iren haben maßgeblich dazu beigetragen: Sie betreiben seit Mai 2009 die Website CountMeOut , die beschreibt, wie man aus der Kirche austritt. Ein fertiges Austrittsformular muss nur noch unterschrieben, ausgedruckt und an die Kirche geschickt werden. Seitdem beschleunigt sich die Kirchenaustritts-Welle: Heute morgen hatten 8.687 irische Katholiken ihren Austritt aus der Kirche mit Hilfe dieser Website erklärt. Viele andere wählen den Weg, ein eigenes Austrittsschreiben zu formulieren.

Der Kirchen-Austritt hat hohe symbolische Kraft und wird den Ex-Mitgliedern des Clubs in vielen Fällen noch Nachteile einbringen. Denn dass die Kirche nun in die Defensive geraten ist, hießt noch lange nicht, dass sie ihre unheimliche Macht schon vollends verloren hätte. Noch immer durchwirkt das katholische System die irische Gesellschaft – und der Wandel wird Jahrzehnte dauern. Immerhin schließen immer mehr Inselbewohner die Priester und deren Arbeitgeber von den wichtigen Ritualen des Lebens aus: Immer mehr Ehen werden ohne den kirchlichen Segen geschlossen, die Zahl der Tauf-Verweigerer steigt genauso wie  die Zahl der Beerdigungen, wo nicht ein Langrock das Weihrauchfass schwingt.

Dabei lechzen auch die Menschen auf der Insel nach spiritueller Gemeinschaft. Aber das ist ein anderes Thema. Für morgen. Vielleicht. Einen guten, stillen Freitag!