Euro in IrlandWie geht es (uns) in Irland im Herbst 2013? Ist die seit sechs Jahren herrschende wüste Finanz- und Wirtschafts-Krise bald überwunden?  Trägt der rigide Sparkurs, den die Mächtigen in Europa der Inselbevölkerung aufgedrängt haben und den die irische Regierung mit Taoiseach Enda Kenny (“Angela´s Poodle”) gehorsamst gegen das eigene Volk exekutieren, endlich Früchte? Nimmt der Druck auf die vielen verschuldeten Irinnen und Iren ab?

Man könnte es meinen in diesen Tagen, denn Irland wird gefeiert als der erfolgreich genesende Patient, der ordentlich seine bittere Medizin geschluckt hat, der große Opfer gebracht hat und der nun für seine eiserne Therapie auch belohnt werden muss. In wenigen Wochen schon soll Irland den europäischen Rettungsschirm verlassen und sich aus der Umklammerung der Troika, der finanziellen Fremdbestimmung der letzten Jahre, lösen. Wirklich?

Nacht in Europa

Gerade hat die Regierung den siebten Sparhaushalt einer beispiellos oktroierten Dauer-Spar-Orgie aufgelegt und keiner regt sich mehr richtig auf. Im Gegenteil: Die Konjunkturflüsterer raunen etwas von Silberstreif und Horizont. Die Medien machen vorsichtig in Optimismus. Die Hauspreise steigen erstmals seit 2007 wieder, die Arbeitslosigkeit nimmt leicht ab, die Wirtschaft . . . nein, sie erholt sich nicht wirklich. Dennoch gehört zum täglichen Small Talk direkt nach dem Wetter-Kommentar nun eine verhalten optimistische Wasserstandsmeldung zur ökonomischen Entwicklung im Land. Die Leute sagen: “Das Licht am Ende des Tunnels wird sichtbar” , oder  “Wir sind auf der Straße der Erneuerung”, oder “Wir kommen langsam aus dem Wald heraus” — doch manchmal klingt das wie das Pfeifen im Walde.

Eher pessimistische Beobachter  sagen: Irland wird es nicht schaffen, seine gigantischen Schulden selber abzutragen. Irland sei auf Gedeih und Verderb auf die Hilfe anderer angewiesen und wird nur gesunden, wenn Europa gesundet. Ganz Pessimistische meinen: Der ökonomische und finanzielle Tod des Landes klopft zwar noch nicht an die Tür, aber er sucht gerade einen Parkplatz. Im Grunde weiß man in Irland genauso wenig Bescheid über die Zukunft, wie man das in Deutschland derzeit tut, wo eine überängstliche, geradezu paralysierte Mehrheit ein Weiter-so-Mantra summt und eine Kanzlerin wieder gewählt hat, die kein Programm hat, aber als erfolgreich gilt, weil sie sich für erfolgreich hält.

Die etablierten Medien tragen nicht gerade viel dazu bei, die wirkliche Lage Europas und Irlands zu analysieren und zu erklären. Man müsste dazu wahrscheinlich die system-immanente Innen-Perspektive verlassen und einen gefährlichen Beobachtungsposten dort draußen, im ungesicherten Terrain einnehmen. Ein medialer Lichtblick schien immerhin im  Spiegel Ausgabe 42/2013 vom 14.Oktober 2013 auf. In einem Interview mit dem Titel “Deutschland schafft das nicht” verurteilt der schottische Politikwissenschaftler Mark Blyth die deutsche Doktrin des Sparens und die europäische Austeritäts-Politik als fatalen Irrweg und ausweglose Sackgasse. Blyth zufolge steht uns das große Aufwachen bevor. Hier einige Auszüge aus dem Interview, verbunden mit dem Hinweis: Nein, ich weiß auch nicht, wo die Notausgänge sind.

Mark Blyth über Austerität,  die strikte Sparpolitik, die auf Geheiß der deutschen Regierung in Europa — und ganz besonders auch in Irland —seit Jahren praktiziert wird:

“Sie (Austerität, die. Red.) ist der Preis, den die Banken andere für ihre Rettung bezahlen lassen wollen. Wenige von uns waren zu der Party eingeladen, aber wir alle werden aufgefordert, die Zeche zu berappen. Was mich an den Debatten über die Staatsschulden am meisten ärgert, ist die moralische Verwandlung in Schuld und Sühne. Austerität wird zur Buße – die notwendige Qual für die Wiederherstellung der Tugendhaftigkeit nach dem Sündenfall. Das ist Ideologie pur, falsches Bewusstsein zum Zweck der Verschleierung.”

Da der Staat hoch verschuldet ist, führt doch nichts am Sparen vorbei, oder?

“Das ist der Punkt, an dem die Austerität in eine politische Verteilungskrise umschlägt. Wenn der Staat seine Ausgaben kürzt, werden die Konsequenzen und Belastungen höchst unfair weitergereicht. Ich bin gern bereit, den Gürtel enger zu schnallen, wenn wir alle die gleichen Hosen tragen. In einer Demokratie sind es die staatlichen Transferleistungen durch Einkommensumverteilung, die das Entstehen einer Mittelklasse überhaupt erst ermöglichen. Diese erschafft sich nicht von selbst, sie verdankt ihre Existenz einer politischen Entscheidung, die zugleich eine Art Versicherungspolice für die Beständigkeit der demokratischen Staatsform ist. Im Zeichen der Austerität weigern sich die Reichen, die Prämien für die Versicherung zu bezahlen. Das Ergebnis ist eine Spaltung und Polarisierung der Gesellschaft, in der die unteren Teile ihrer Aufstiegsmöglichkeiten beraubt werden. Dann bleibt nur noch der gewaltsame Protest, am linken und am rechten Rand nimmt die Aggressivität zu.”

Wird der Klassenkampf von oben und die massive Umverteilung zu Lasten der Mittelschichten wenigstens am Ende ein positives Ergebnis für Gesellschaft und Demokratie in Europa bringen?

“Finanzielle Repression und höhere Steuern auf Spitzeneinkommen werden auf lange Sicht Bestandteile der politischen Programmatik aller Volksparteien werden, nicht nur der Linken. Kurzfristig wird man es weiterhin mit Austerität versuchen, aber sie wird nicht funktionieren. Am Ende muss sie wegen erwiesener Erfolglosigkeit aufgegeben werden, oder die Wähler werden ihre Verfechter aus dem Amt jagen.”

Wir werden sehen. Die Zeiten sind zwar nicht großartig, interessant aber sind sie allemal. Ein schönes Bank Holiday Wochenende (am Montag ist in Irland Feiertag!)