Die Woche um den Patrick´s Day herum nutzen viele Iren, um es kräftig krachen zu lassen: Im Zeichen der Trikolore genießen sie es, hemmungslos Irisch zu sein. Parade hier, Parade da, dazwischen Pub und Party. “Es ist eine Sünde , an Patrick´s Day nicht ins Pub zu gehen” gilt als Wahlspruch der frommen Zecher mitten in der Fastenzeit. Für das intellektuelle Irland ist es – neben oder auf der Party – auch die Zeit der Selbstbespiegelung, der Selbstfindung und der Selbstbesinnung. Jetzt liest man in den Zeitungen wieder gerne Essays und Abhandlungen zur Frage: Wer sind wir eigentlich, wir Iren? Wie steht es um die “Irishness“? Und wie sehen uns die anderen, die Iren der Herzen? Die Amerikaner, die Deutschen, die Franzosen?

In dieser miserablen Zeit des finanziellen und wirtschaftlichen Absturzes fragen sich Irlands Zeitungs-Kommentatoren: Mögen sie uns noch da draußen? Uns kleine Sünder mit den Riesenschulden? Uns trocken gelegte Gierschlunde? Sind wir noch die beliebten Kleeblattschwinger von der Grünen Insel, obwohl wir es gar nicht verdient haben? Ziehen die Patrick´s-Day-Paraden in München und New York, in Syndey und London noch die Massen an?

Die bangen Fragen fanden milde Antworten. Mary und Paddy  konnten in diesm März erleichtert zur Kenntnis zu nehmen, dass die derben politischen Konflikte um Schulden und Kredite, um politische Macht und wirtschaftliches Überleben am Image der netten Iren bislang nicht ernsthaft gekratzt haben. Begeistert fiebert man an der Liffey dem Besuch des US-Präsidenten O´Bama und der Queen Eliabeth II entgegen, zufrieden registrierte man, wie Hunderttausende am 17. März weltweit die Straßen in Grün fluteten – und auch dass Deutsche “das Irentum” wie gehabt kultivieren, zelebrieren und verehren: sei es mit Guinness und Leprechauns, mit der irischen Musikwoche, bei der Patrick´s Day Parade in München oder beim kulturellen Stelldichein des irischen Botschafters in Berlin. Sind wir nicht alle ein bisschen “Irish at Heart”?

Nach einer langen Phase der  Zerknirschung, der verbalen Selbstkasteiung und der kollektiven Deprimiertheit scheint sich die Stimmung im Lande langsam und allmählich zu heben. Der neue Taoiseach Enda Kenny gibt auf seine kernig-trockene Art den Takt vor: Irland ist wieder da, Ireland Ltd. hat wieder geöffnet, tiefer runter geht´s fast nimmer, also geht es wohl schon wieder rauf – und Irland hat großes Vertrauen verdient, wenn selbst der große Obama uns vertraut und sich zu uns nach Hause traut.

Auch die professionellen Kritiker versuchen sich neuerding wieder im vorsichtigen Optimismus: Hatte im Wahlkampf noch jeder die Tragödie des neuen Exodus von der Insel in den dunkelsten Farben gemalt, so kann man nun auch hören, dass die Emigrationswelle so schlimm und groß gar nicht ist. Der Wirtschafts-Professor James Wickham  wies zum Beispiel in der Irish Times gerade darauf hin, dass das Ausmaß der aktuellen irischen Emigration maßlos übertrieben geschildert wird: Die Rede ist immer griffig von 1000 Iren, die jede Woche das Land verlassen, um in der Fremde eine Existenz zu suchen. Der Professor hat nun einmal nachgerechnet und kam zum Ergebnis, dass in den vergangenen zwölf Monaten von 65.300 Auswanderern nur 27.700 Iren waren, den größeren Teil stellten heimkehrende Einwanderer, sprich Polen, Litauer, Brasilianer.  Nach Wickhams genauer Rechnung kehren alsostatt 1000 nur 522 Iren pro Woche der Heimat den Rücken. Der Professor mahnte zudem, die Auswanderung positiv zu sehen: Mobilität und Migration seien weltweit gestiegen, die Menschen könnten eines Tages besser gebildet und ausgebildet nach Irland zurückkehren. Mit den Massenauswanderungen der dunklen 50er-Jahre jedenfalls sei das alles nicht zu vergleichen.

Alles in Kerry-Butter also auf der Grünen Insel? Keineswegs. Aber die dumpf-bräsige Verzweiflung und die kollektive Lethargie der späten Ära Cowen ist überwunden. Sláinte. Morgen gibt es noch einmal kräftig Parade, und ab Montag wird das Land gerettet.

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