Sonnenuntergang in Kenmare, fotografiert von Karin Hänsch

Sonnenuntergang in Kenmare, fotografiert von Karin Hänsch

Wahl in Irland. Für wen geht am Freitag die Sonne unter, oder: Sind die selbst ernannten Retter Irlands zu retten? Am kommenden Freitag, dem 26. Februar, wählt das irische Volk ein neues Parlament und eine neue Regierung — und wenn nicht alle Prognosen trügen, dann wird die Fine-Gael-Labour-Koalitionsregierung von Premierminister Enda Kenny kein Mandat für weitere fünf Jahre bekommen. Wie kann das sein, dass die Regierung, die sich unablässig als Retter des Landes und als Garant für die Fortsetzung des Wirtschaftsaufschwungs feiert, nicht mehr gewünscht sein könnte? Wie kann das Volk weghören, wenn die ausgehende Regierung massive Steuererleichterungen und eine fast goldene Zukunft verspricht? Nun, offensichtlich will das Volk mehr als wohlfeile Wahlversprechen und finanzielle Vorteile. Zum Beispiel eine verlässliche Politik, eine gute Infrastruktur, funktionierende Krankenhäuser, und und und. Und offensichtlich ist das Wahlvolk etwas anderer Meinung über den Gang der Dinge in den vergangenen fünf Jahren als ihre politischen Vertreter in Leinster House in Dublin.

Vielleicht haben die Menschen einfach nur ein Gedächtnis, das mehr als zwei Jahre zurück reicht. Denn vor gerade zwei und drei Jahren jammerten dieselben Volksvertreter angesichts brutaler finanzieller Einschnitte, im Zeichen von drastischen Steuer- und Gebührenerhöhungen, dass sie keine Wahl hätten, weil ja  eigentlich die verhasste Troika das Land regierte und die EU der irischen Regierung diktierte, was zu tun sei.

Wir erinnern uns gut, wie sich Taoiseach Enda Kenny und seine Minister jahrelang ein ums andere Mal weg duckten und das eigene Volk den europäischen Muster-Patienten spielen ließen, der für die ersehnte finanzielle Zuwendung aus Brüssel jede noch so bittere Medizin mit einem kalten Lächeln schluckte. Je näher der Wahltag allerdings rückte, um so beeindruckender wandelte sich Irlands Chef-Patient Kenny zum Chefarzt und zum oberstem Wunderheiler. Wenn sich die Spitzen von Fine Gael und Labour Party nun als Verantwortliche für die wirtschaftliche Erholung und als Garanten für einen anhaltenden Aufschwung stilisieren, dann kommt offensichtlich der eine oder andere Wahlbürger ins Grübeln: Kann man gleichzeitig Opfer und Täter sein, kann man die Hände in den Schoß legen und gleichzeitig tatkräftig anpacken?

Fine Gael: Wenn uns keiner Beifall klatscht, klatschen wir eben selbst: Ein Motiv von der Fine-Gael-Website.

Wenn uns keiner Beifall klatscht, klatschen wir eben selbst: Motiv von der Fine-Gael-Website.

Liebesentzug hat Gründe. Dass die beiden Parteien Fine Gael und Labour für ihre Großtaten am Freitag mutmaßlich nicht belohnt werden, könnte noch einen zweiten und einen dritten Grund haben: Der Aufschwung nämlich geht an allzu vielen Menschen im Land komplett vorbei. Zahlreiche Irinnen und Iren leben weiterhin in prekären Verhältnissen und merken gar nicht, wie gut es ihnen eigentlich gehen sollte — und während die Ungleichheit im Land dramatische Formen annimmt, trauen mehr und mehr Inselbewohner dem politischen Establishment nicht mehr über den Weg, ganz gleich ob Mitte-Rechts (Fine Gael) oder noch mehr Mitte-Rechts (Fianna Fail). Letztere haben den Karren Irland unter dem Regime von Bertie Ahern in den Jahren vor 2008 bekanntlich mit Macht, Gier und extremster Verbohrtheit vehement in den Dreck gerammt  — und so scheint sich zumindest zu bestätigen, dass das Gedächtnis der Wähler auch nicht endlos zurück reicht, zumindest keine 8 Jahre: Denn auch wenn fast jeder dritte Ire mittlerweile — ermüdet von den Fehlleistungen der politischen Eliten – zur Wahl von unabhängigen Kandidaten oder den Vertretern von Politikneulingen und Kleinst-Parteien neigt: Fianna Fail erholt sich in der Wählergunst unanständig schnell und könnte schon wieder zweitstärkste Partei werden, noch vor der nach längerem Höhenflug wieder im Abwind segelnden linken Sinn Fein, der ihre enge Verflechtung mit der militanten IRA gerade sehr zu schaffen macht.

Politische Beobachter prognostizieren, dass die große Regierungspartei Fine Gael am Freitag massiv Stimmen verlieren und dennoch stärkste Partei bleiben wird, dass sie allerdings keine mehrheitsfähige Regierung bilden kann — einerseits, weil Partner Labour schwer gerupft werden dürfte und sogar ums politische Überleben kämpft, andererseits, weil eine Koalitionsregierung der beiden Mitte-Rechts-Parteien Fine Gael und Fianna Fail, den beiden großen Machtblöcken der neueren irischen Geschichte, eine reine Utopie bleibt. So könnte am Ende des Wahlgangs fast genau 100 Jahre nach dem Osteraufstand ein Wählervotum für die Unregierbarkeit der Republik stehen — und das Signal für erneute Wahlen.

Aber warten wir es ab. Noch sind knapp 20 Prozent der Wähler unentschlossen. Wir werden ab Samstag genauer wissen, für wen im politischen Irland die Sonne aufgeht und für wen unter.

A propos Sonne: Morgen geht es hier auf Irlandnews weiter mit den schönsten irischen Sonnenuntergängen. Die heutigen Sonnen stammen von unseren Lesern Karin Hänsch aus Hoyerswerda, Sachsen (oben, aufgenommen im Februar 2010 in Kenmare im County Kerry) und von Jessica Hendrischke aus Berlin (unten, aufgenommen im August 2015 in Ballinskelligs, County Kerry).

Sonne Irland

Die Sonne senkte sich über Ballinskelligs. Jessica Hendrischke war dabei.