Irland riecht. Anders. Üblicherweise nehmen wir andere Länder, Menschen und Landschaften bevorzugt mit den Augen wahr. Die Ohren kommen gerne zu kurz, die Nase allemal. Mein zweites Irland-Buch (geschrieben zusammen mit Eliane Zimmermann) kommt Ende Mai in zweiter Auflage (aktualisiert, erweitert, mit drei Extra-Gründen und 32 Seiten Foto-Teil) in die Buchläden: 111 Gründe, Irland zu liebenEs gibt umfassend Auskunft auf die Frage, was wir an Irland mögen (und auch was nicht).  Eliane, die Spezialistin für Düfte und Aromen, hat darin einen Beitrag geschrieben, wie Irland riecht: Anders als Deutschland, als die Schweiz oder Österreich. Das liegt vor allem an der hohen Luftfeuchtigkeit, aber nicht nur. Lest selber . . .

GRUND NR. 78
Weil Irland anders riecht

Fast jedes Mal, wenn ich auf Reisen bin und dann meinen Koffer weit weg von daheim öffne, kommt mir ein sehr spezieller Geruch entgegen, den ich im heimatlichen Umfeld überhaupt nicht wahrnehme. Irgendwie leicht muffig, ein wenig nach Kaminfeuer und nach feuchter Luft. Jedes Land hat vermutlich seinen ganz eigenen Geruch, er wird einem allenfalls bewusst, wenn man ihn nach woanders verfrachtet Ich fühle mich darum immer wieder etwas unbehaglich, wenn ich mich inmitten von kontinental gepflegten, täglich geduschten und mit Weichspülern parfümierten Menschen bewege.

Nasenbuche KopieBesonders irisch ist der Duft des verbrannten Torfs (Peat), der trotz diverser offizieller Vorstöße der EU und der Regierung immer noch zum Heizen verwendet wird. Zumindest brennt das Torffeuer noch in Häusern, wo auch in den Celtic-Tiger-Jahren an die Installation einer Ölheizung nicht zu denken war, aber auch in vielen Hotelfoyers und Bars, vor allem wegen der anheimelnden Stimmung. So glühen an feucht-kühlen Herbst- und Wintertagen vielerorts wunderbar duftende Peat-Barren in den meist viel zu kleinen Feuerstellen. Für so richtig kuschelige Wärme in den traditionellen Steincottages reicht das meist nicht. Aber sie reicht aus, um die darüber hängende Unterwäsche und wettergegerbte Flanellhemden, die beim Besucher oft romantische Anwandlungen auslösen, zu trocknen. So halbwegs zumindest. Beim Durchfahren von irischen Dörfen an kühlen Wintertagen riecht man diesen altertümlichen Brennstoff, oft gemischt mit dem Geruch von Kohle. Manchmal liegt in schwerer Rauchdunst über den einfachen Cottages.

Die hohe Luftfeuchtigkeit trägt maßgeblich zum „Duft Irlands“ bei. Wenn das Hygrometer 70 bis 95 Prozent anzeigt, fühlen sich Hemd und Bettbezug irgendwie klamm an, in Schränken entwickeln sich verdächtige Stockflecken und die Zimmerdecke bekommt schwarze Pünktchen. Wer weder Heizung noch Wäschtrockner besitzt (das kommt öfter vor als man denkt), hat in den nass-kühlen Monaten größte Probleme, seine frisch gewaschene Wäsche wirklich trocken zu bekommen, und das kann man riechen. Eines der neuen Statussymbole der reichen Jahre ist der fast penetrante Geruch von diversen Weichspülern, welcher die Menschen manchmal umweht.

Ein ungewöhnlicher Geruch steht oft hinter den Häusern in der Luft: Heizungsanlagen werden mangels Keller nach draußen verfrachtet und da vielerorts mit Kerosin geheizt wird, riecht es insbesondere auf dem Land hier und dort nach Flughafen. Diese Anlagen zur Fütterung von Zentralheizungen sind zwar in den meisten Fällen nicht alt, doch sie arbeiten oft nicht wirklich effektiv, so dass sie unter lautem Getöse und Abscheiden von Flugbenzin-Wolken ständig anspringen.

In Supermärkten ist die Auswahl an elektrischen Duftgeräten, zuckrig riechenden Kerzen und Raumsprays riesig, anders kann man dem Feucht-Mief auch kaum beikommen. Insbesondere weil die fetten Jahre auch moderne luftdichte PVC-Fenster bescherten, welche eine Katastrophe für so manches alte Gebäude bedeuten können, denn wenn nicht regelmäßig gelüftet wird, schlagen Schimmelpilz und Stockfleck gnadenlos zu.

Irland duftet aber auch frisch, nach Moos, Waldboden, Pilzen und Bäumen, ein richtig grüner Duftmix, der den Kopf frei macht und welcher Naturfreunde beglückt. Nicht umsonst heißt eines der ganz frühen deutschen Herrenparfüms „Irisch Moos“, auch wenn es eher nach Zitrusnoten duftet und nicht nach einem Waldspaziergang. Lustigerweise heißt auch ein pflanzlicher Meeresbewohner, die Knorpelalge namens Chrondrus crispus, im deutschen Sprachgebrauch „Irisches Moos“. Daraus wird in Irland der feine Carrageen Pudding gekocht, denn diese Alge wird zum Verdicken von Speisen eingesetzt.

Ja, genau, Irland duftet entlang der mehr oder weniger wilden Küste auch nach Meer sowie nach all den vielfältigen Kreaturen, die sich im salzigen Nass tummeln. Und nicht zu vergessen, die unendlich vielen Schafe und Kühe auf den saftigen Wiesen: Sie tragen zum ganz besonderen Duft der Grünen Insel bei. [e]

Die 113 anderen Gründe, Irland zu lieben, gibt es hier zu lesen: 111 Gründe, Irland zu lieben. Preis: 13 €.

(ed20150824)