Pint_Glass

Ist Ihr Glas grundsätzlich eher halbvoll oder halbleer? Bei allen weltanschaulichen Differenzen: In beiden Fällen könnte sich Nachschenken lohnen. Ob bis zum Eichstrich oder bis zum Rand, das ist eine Frage des kulturellen Verständnisses oder Ihres Aufenthaltsortes. Im aktuellen Buch “Irland. Ein Länderporträt” auf, das im August 2013 erschienen ist, schreibe ich über die Füllhöhe in irischen Biergläsern:

“Wer zum ersten Mal Irland besucht, mag die Iren für großzügig und spendabel halten. Er mag damit Recht haben und dennoch die falschen Schlüsse gezogen haben. Wer etwa denkt, das Bierglas im Pub sei immer über die Maßen ordentlich gefüllt, weil es fast überläuft, der verkennt: In das traditionelle Pint-Glas passt bis zum Rand genau ein Pint, das sind 20 flüssige imperiale Unzen, was genau 0,568 Litern entspricht. Wer also in Irland ein Pint trinkt, trinkt meist aus einem bis zum Rand gefüllten Halbliterglas – und er trinkt über zehn Prozent mehr als bei einer bayerischen Halbe (dafür hat das irische Dunkelbier Stout mit 4,2 Prozent deutlich weniger Alkohol als das deutsche Export-Bier mit über fünf Prozent). Ist das Pint-Glas normal eingeschenkt, wie man es aus deutschen Wirtshäusern kennt, dann enthält es allenfalls einen halben Liter – was jeden biertrinkenden Iren empören würde, im Gegensatz zum Bayern, der sich in vielen Brauhäusern schaumige 450 Milliliter unwidersprochen als halben Liter andrehen lässt.

Deshalb: Das Pint Guinness oder Murphy’s muss im Zweifelsfall beim Wegtragen tropfen, sonst ist es keines. Zumindest kein Pint. Es sei denn, es kommt im feschen Import-Glas daher, wie es neuerdings in den Pubs auftaucht: etwa im extragroßen Weißbierglas einer bayerischen Brauerei, das deutlich unter dem Rand voll ist und das nur bis zum Eichstrich eingeschenkt wird. Am Strich ist zu lesen: »Pint to Line«. Sinngemäß: Wenn Strich erreicht, dann Pint! In diesem Sinne: Sláinte. Prost. Zum Wohl.

Das wäre also geklärt. Wenn Sie aber von einem Iren im Pub aus heiterem Himmel zum Pint eingeladen werden, dann ist auch das kein Zeichen von Großzügigkeit.”

Und warum nicht? Lust auf mehr? Das Buch “Irland. Ein Länderporträt” von Markus Bäuchle gibt es hier.