Schafe in Irland_Wandern in Irland

Die Postkarten waren in den 80-er und 90-er Jahren der Renner: Grüße aus einer anderen Welt, “Rush Hour in Irland”  — die Schafe machten den Verkehrstau und den Unterschied zum übermotorisierten Festland aus. Die Freunde daheim staunten wahlweise Bauklötzchen oder Schafsknöddel.

Wer heute auf einer irischen Autobahn, zum Beispiel der verkehrsreichen Autobahn M 50 um Dublin herum kurvt, wer in Irish Suburbia lebt, wer den eitlen Lebensstil der Speckgürtel-Iren kultiviert, wer sich auf der Bank in Limerick Southhill die Stütze abholen muss, der kennt das alte Irland, das ländliche, geruhsame und unaufgeregte Irland meist nicht mehr — und er bringt dafür auch kein Verständnis auf.

Die Welt der geschmähten Culchies, der Bauern, der Landeier, der Rotnacken, der Dörfler in den Bergen des Westens von Donegal, Mayo, Sligo, Kerry und Cork, ist eine stille Parallelwelt. Eine, die sich in die hinteren Winkel von schwer zugänglichen Tälern zurückgezogen hat —  aber eine, die lebt. Es ist eine Welt, die idyllisch und romantisch wirkt. Das Leben in dieser Welt ist zumeist hart und einfach, oft engstirnig, reiz-arm und ohne Abwechslung. Doch machen viele Menschen hier einen Unterschied zwischen loneliness und solitude, zwischen gewollter und ungewollter Einsamkeit, zwischen Allein sein und Einsam sein. Hier hat der Pfarrer noch mehr zu sagen als anderswo auf der Insel – und ob das gut so ist, fragen sich die Menschen eher selten. Es ist, wie es ist.

Hier haben die destruktiven Kräfte der gefräßigen kapitalistischen Wachstums-Ökonomie bis heute nur wenig Futter gefunden. In der Genügsamkeit der “Unter-Entwicklung” schlummert ein unformulierter Gegenentwurf zu einer scheiternden Zivilisation. Reizvoll bleibt deshalb der Besuch. Diese Welt ist aus der Gleichzeitigkeit gefallen. Sie ermöglicht den Vergleich mit der Unwirtlichkeit der Wohlstandswelt und erfüllt manche Herzen mit Sehnsucht nach der verlorenen Zeit.

Schafe_und_Schäfer_in_Irland_Wandern in Irland

Bei Lauragh, County Kerry. Fotos: © Markus Bäuchle

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