Pat Noise

Liebe Irland-Fans, hier schreibt Nadine* aus Dublin. Dies ist die mysteriöse Geschichte von Father Pat Noise. Dies ist ein kleines offenes Geheimnis der Stadt Dublin. Dies ist im wahren Sinne des Wortes die unglaubliche Story von Father Noise.

Auf einer Plakette auf der Brüstung der O’Connell Bridge im Herzen der Stadt kann man diese Inschrift lesen:

“THIS PLAQUE COMMEMORATES

FR. PAT NOISE

ADVISOR TO PEADAR CLANCEY.

HE DIED UNDER SUSPICIOUS
CIRCUMSTANCES WHEN HIS
CARRIAGE PLUNGED INTO THE
LIFFEY ON AUGUST 10TH 1919.

ERECTED BY THE HSTI”

Die O´Connell Bridge gilt als Wahrzeichen Dublins, und das nicht nur, weil sie der Hauptverkehrsknoten im Zentrum ist und einen einzigartigen Blick über den Fluss Liffey bietet. Sie birgt auch dieses kleines Geheimnis, das viele Passanten bis heute nicht kennen. Auf der westlichen Brüstung der O´Connell Bridge entdeckt man bei genauem Hinsehen eine kupferfarbene Tafel. Im Text erfährt der Leser vom offenbar tragischen Schicksal eines Father Pat Noise. Dieser soll am 10. August 1919 auf rätselhafte Weise ums Leben gekommen sein, als seine Kutsche an dieser Stelle in die Liffey stürzte. Eine Tragödie, denkt der Passant, und gut, dass es diese Tafel gibt, die an den armen Verunglückten erinnert. Oder doch nicht?

Father Pat Noise_Dublin

Die Plakette an der O´ Connell Bridge erzählt die “Geschichte” von Father Pat Noise

Wer war Father Pat Noise? In den Archiven der Stadt findet sich nicht der kleinste Hinweis auf seinen Namen, auf seine Person oder den mit ihm in Verbindung gebrachten Unfall. Die Plakette behauptet weiter, dass Father Pat die irische Untergrundbewegung unterstützt haben soll und Berater eines gewissen Peadar Clancy gewesen sein soll. Das war er allerdings nicht. Denn Father Noise hat es nie gegeben.

Was also hat diese Plakette zu bedeuten? Erst zwei Jahre nachdem die Tafel im Jahr 2004 auf der Brücke angebracht worden war, entdeckte die Stadtverwaltung Dublin die Erinnerung an einen Nicht-Existierenden – und das, obwohl die O´Connell Bridge eine der belebtesten Straßen der irischen Hauptstadt ist. Ein Journalist der Sunday Tribune beschwerte sich beim City Council, dass es sich bei dem Werk um einen Tribut an den eigenen Vater handele. Nach vielen erfolglosen Bemühungen der Stadt, etlichen Recherchen fiel in der Stadtverwaltung der Groschen: Das Kürzel des vermeintlichen Tafel-Stifters HSTI ist  ein Anagramm von SHIT. So ein Sch . . .  Scherzbolde hatten die Plakette heimlich angebracht. Es heißt, die anonymen “Freunde” von Father Noise wollten auf ihre Art gegen die Geldverschwendung der Stadt in den Boom-Jahren protestieren. Immerhin mehr als 1000 Euro, so schätzen Experten, war den anonymen Scherzbolden diese kuriose Form des Protests wert. Dublin lässt tatsächlich gerne zu jeder nur erdenklichen Geschichte ein Monument aufstellen — und so wirft dieser stille Protest ein Licht auf den besonderen Humor der Dubliner.

Aber warum wurde die Plakette genau hier angebracht?  Ganz einfach: Die Vorrichtung war schon da, nur der dazugehörige Inhalt hatte noch gefehlt. An der gleichen Stelle hatte die Stadtverwaltung im Jahr 1996 eine Uhr, den sogenannten Millenium Countdown einbauen lassen. Sie sollte genau anzeigen, wie lange es noch dauert, bis das Jahr 2000 gefeiert werden konnte. Aufgrund von technischen Problemen wurde die Uhr schon wenige Monate nach der Installation wieder entfernt. Die Aussparung in der Mauer aber blieb und rief nach einem neuen Inhalt – bis Father Pat Noise´s Plakette in einer Nacht-und-Nebel-Aktion dort eingelassen wurde.

Nachdem die Stadtverwaltung von der Plakette erfahren hatte, wollte sie diese eigentlich schnellstmöglich entfernen lassen. Inzwischen jedoch hatte sich in der City ein Kult um den mysteriösen Father Pat Noise entwickelt. Obwohl der nie gelebt hatte, gehörte er nun irgendwie doch zur Stadt Dublin. Man kannte ihn und seine Geschichte und wollte an ihr fest halten. Die Stadtverwaltung fügte sich schließlich und ließ die Plakette in Ruhe.

Als die O’Connell-Brücke im März 2007 saniert werden musste, wurde die Plakette dann allerdings doch noch entfernt und wieder rief das Bürger auf den Plan: Sie protestierten mit ironischen Aktionen und Kranzniederlegungen gegen die Entscheidung der City Hall. So ließ die Stadt Dublin notgedrungen eine neue Tafel montieren, und diese kann man bis heute bestaunen. Allerdings wurde die aktuelle Erinnerungsplakette nur aus einem Bronze-Imitat gefertigt – da hatte das städtische Budget nicht für einen vollwertigen Ersatz gereicht. Aber immerhin – sie lässt die Legende von Father Noise leben . . .

Die Geschichte von Pat Noise ist eine typische Dubliner Geschichte. Leicht verrückt, leicht skurril und sehr liebenswert. Eine Geschichte aus Dublin, die nicht jeder Tour Guide kennt und die nicht in jedem Reiseführer steht.

Nadine Eckmann* Die Autorin: Nadine Eckmann hat Theologie und Medienwissenschaften studiert. Sie lebt seit September 2015 in Dublin und absolviert einen Europäischen Freiwilligendienst bei der Organisation “Friends of the Elderly Ireland”. Mit ihrem plüschigen Reisebegleiter “Zoe” erkundet sie die Insel und vor allem die Hauptstadt Dublin.