Irischer SommerIn der vergangenen Woche machte Irland einen weiteren Schritt vom rigiden Kirchenstaat in Richtung einer liberalen Zivilgesellschaft: Das Parlament beschloss nach qualvollen nächtelangen Diskussionen die Lockerung des Abtreibungsverbots, das jedes Jahr tausende Frauen zum Abbruch auf die Nachbarinsel Großbritannien reisen lässt. Wenn der Senat und Präsident Higgins in den kommenden Tagen mitziehen, wird die Liberalisierung in wenigen Wochen in kraft treten können. Abtreibungen könnten dann unter strengen Bedingungen und nur dann erlaubt sein, wenn das Leben der schwangeren Frau gefährdet ist. Eine Abtreibung soll zumindest zulässig sein, wenn die Schwangere als selbstmordgefährdet gilt. Allerdings müssen drei Ärzte von der Gefährdung überzeugt sein und diese attestieren. Gemessen an der Praxis in Nachbarländern wird Irland auch nach der Reform — gleich hinter Malta — über das zweitschärfste Abtreibunggesetz Europas verfügen. Es ist ein Schritt, den viele Irinnen und Iren für einen viel zu kleinen Schritt halten, denn das Selbstbestimmungsrecht der Frauen wurde nicht gestärkt. Jedenfalls ist es ein Schritt in die richtige Richtung, die Macht des alten katholischen Bollwerks im Land ist gebrochen.

Erstaunlich wirkte, wie viel Raum eine Lappalie am Rande der Parlamentsdebatte von den Medien eingeräumt bekam: Das Parlament tagte am vergangenen Donnerstag durch die Nacht bis zum frühen Morgen. Gegen 3 Uhr morgens zog der Abgeordnete Tom Barry seine Fraktionskollegin Aine Collins vor laufenden Kameras auf seinen Schoß. Der Schoß-Skandal, “Lap-Gate”, war geboren. Die Medien ereiferten sich ausführlichst über das Fehlverhalten des Fine-Gael-Parlamentariers und spürten vor allem so wichtigen Fragen nach, wie viele Drinks (“4 Jaeger Bombs” ) Kuschel-Tom zur “Tatzeit” am frühen Morgen intus hatte und was er seiner Frau wohl erzählen würde. Auch ein Abgeordneter von der Labour-Partei wurde Opfer des Sitzungsmarathons: Michael MacNamara wurde zwar nicht von der Lust übermannt, er drückte aber mit müdem Kopf den falschen Abstimmungsknopf und stimmte gegen seine Fraktion (was in Irland die politische Karriere jäh ausbremsen kann). Wäre der Hintergrund der Debatte nichts so ernst gewesen, man könnte die Nachtsitzung im irischen Parlament für reines Sommertheater halten.

A propos Sommer: Der irische Super-Sommer geht jetzt in seine vierte Woche — und Ermüdungserscheinungen sind nicht abzusehen. Das Wetteramt Met Eireann wagt die Prognose für eine weitere ungetrübte Hochsommerwoche auf der Insel. In diesem Sinne zeigen wir in dieser Woche ein paar Sommer-Impressionen und beginnen heute mit der “Auszeit hoch über dem Atlantik” (Foto oben: Markus Bäuchle / Wanderlust).