Irland Wandern Wanderlust Markus Bäuchle

Der us-amerikanische Pianist David Syme lädt sonntags regelmäßig zu besonderen Wohnzimmer-Konzerten ein

Wenn man als überzeugter Wahl-Ire (Wahl-Irin) beschreibt, wie abseits man seit anderthalb Jahrzehnten lebt, gibt es einerseits gerne mal leicht neidvoll gefärbte und bewundernde Kommentare (“so viel Natur”, “frische Luft”, “viel Platz und Freiheit”, “das Meer vor der Haustür”). Andererseits vernehmen wir auch schon mal ein Bedauern, wenn unsere vermeintlich mangelnden Möglichkeiten an kulturellen Veranstaltungen zur Sprache kommen. Denn vor lauter Natur sei am A… der Welt Kultur sicherlich nur als Nadel im sprichwörtlichen Heuhaufen zu finden. Wenn überhaupt.

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Das passende Gemälde zum Klavierspiel hängt im Wohnzimmer von Suzanne und David Syme

Doch wir müssen nicht mehr ins gut eine Stunde entfernte Killarney fahren, um einen guten und/oder angesagten Kinofilm anzuschauen, Bantry bietet seit über 10 Jahren auf den drei Leinwänden des Cinemax-Kinos vielfältige Unterhaltung und Bildung. Diverse Musik- und Literaturfestivals im Sommer ziehen inzwischen nicht nur kulturhungrige Menschen aus der näheren Umgebung an. Zwischendrin begegnet man auf gemütlichen kleinen Konzerten großen Sängern. Dazu wohnt ganz in der Nähe David Syme, dem wir den 77sten Grund in unserem Buch 111 Gründe Irland zu lieben gewidmet haben:

Die schönsten Blüten der Kultur treiben hier im Verborgenen, zum Beispiel in einem großen Wohnzimmer in Ahabeg, einem zu Rossmacowen gehörenden Weiler in der Nähe von Castletownbere. Man glaubt es nicht, doch im kulturellen Ödland Bearas gibt sich jedes Jahr ein Dutzend Mal ein Weltklassekünstler die Ehre: Jeden Winter und jeden Sommer lädt der Pianist David Syme lokales Publikum zum Sonntagskonzert in sein Wohnzimmer ein.

Der US-Amerikaner Syme (Jahrgang 1949), ein Meisterinterpret der Werke George Gershwins, kennt die großen Konzertsäle der Welt, trat mit vielen Weltklasse-Orchestern auf und hat über 20 CDs eingespielt. An diesen Sonntagen zuhause lässt er das Publikum zu sich kommen: Syme wohnt in Ahabeg und er musiziert in Ahabeg. Nachmittags um 15 Uhr geht es los, David Syme nimmt gut vorbereitet am großen Flügel in der Mitte seines Wohnzimmers Platz und spielt zwei Stunden erlesene Klaviermusik für die Leute aus der Umgebung. Bis zu 50 Menschen haben Platz in Davids guter Stube, und Frau Syme kümmert sich nebenbei rührend um das leibliche Wohl der Gäste.

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Mezzo-Sopranistin Urszula Stefiszyn und Pianist David Syme

Gestern durften wir uns sogar neben der vielen Sahne zu leckeren Kuchen und Törtchen auch noch einen Tupfer musikalischer Sahne zum Klang des Pianos auf der Zunge zergehen lassen: Die polnische Mezzo-Sopranistin Urszula Stefiszyn sang deutsche Klassik und auch ein durch Elvis berühmt gewordenes Ständchen “Muss i denn zum Städtele hinaus”, “Chagrin d’ Amour”, “The last Rose of Summer” und “My way” und andere klassische Lieder sorgten für internationales Flair. Unter den circa 45 BesucherInnen vernahm man diverse Sprachen und Akzente, diese Wohnzimmer-Konzerte sorgen inzwischen für einen regen interkulturellen Austausch, insbesondere deutsche, niederländische und amerikanische BesucherInnen gehören zu den regelmäßig wieder kehrenden Fans von David Syme.

Seine leisen und verspielten Töne zaubern schon mal das eine oder andere Tränchen auf die Augen der Besucher(innen). Doch er kann seinen Konzertflügel mit großartigem Meeresblick im Rückenauch sehr lautstark und temperamentvoll traktieren, dass man glaubt, das Instrument ginge jeden Moment in Flammen auf. Nicht umsonst hat David immer seinen leise säuselnden Stand-Ventilator dabei, der die schweißtreibenden Aufführungen überhaupt erst erträglich macht. Verschwitzt und strahlend widmet er sich in der Pause einzelnen Besuchern, freut sich wie ein kleiner Junge, dass Leinwandgrößen wie die kürzlich mit 95 Jahren verstorbene Maureen O’Hara sowie Irlands berühmtester Sänger Christy Moore schon den Weg in das gemütliche Wohnzimmer des Paares fanden. Gestern machte er auf einen Besucher aufmerksam, der kürzlich 100 Jahre alt geworden ist, der agile einstige niederländische Militär-Pilot ist wohl der älteste Bewohner unseres Dorfes Glengarriff.

David kommentierte zu Beginn des gestrigen Konzerts auch noch, dass er eigentlich nicht die angekündigte Appassionata von Beethoven spielen wollte. Doch da Markus (“wie spricht man deinen Nachnamen eigentlich aus?” ruft er ins Publikum) genau diese Sonate auf seinem Facebook-Eintrag angekündigt hätte, würde er sie nun doch spielen, das Konzert könne deswegen geringfügig später als um 17 Uhr enden.

Wohnzimmer_David_Syme

Wohnzimmer mit Blick auf die Bantry Bay, auf Bere Island und bei schönem Wetter auf den Sheeps Head

Die nächsten Wohnzimmer-Konzerte finden am 14. und am 28. Februar 2016 jeweils um 15 Uhr statt, wer im Sommer zwischen Glengarriff und Castletown Bere auf der Beara Halbinsel unterwegs sein sollte, kann einer  weißen Tafel mit schwarzem Konzertflügel am linken Straßenrand entnehmen, an welchen Sonntagen man einfach mal vorbei kommen kann, es geht notfalls auch ohne Anmeldung, ansonsten lässt man sich auf Davids Website Symepiano vormerken oder schaut beim aktiven Facebook-Schreiber vorbei.

Irland Wandern Wanderlust Markus BäuchleSeine Frau, die Theologin Dr. Suzanne C. Sachnowitz Syme hat übrigens ein sehr beeindruckendes Buch über das Sterben und das Überleben nach dem Tod eines geliebten Menschen geschrieben “‘Til Death”, die beiliegende CD wird von ihrem Mann musikalisch begleitet. Berührt und erfüllt fuhren wir nach Hause mit der Gewissheit: Auch am Ende der Welt gibt es feinste Hochkultur. Beara has it!