Mick Flannery

Mick Flannery spielt Liss Ard

Es muss vor etwa 80 Jahren gewesen sein. Die Scheune auf der O’Sullivan-Farm bei Killarney, County Kerry, brannte lichterloh. Der kleine Pa hatte mit Streichhölzern gespielt, zutiefst erschrocken kroch er unter das Bett und versteckte sich —  seine Mutter fürchtete, der Junge sei in den Flammen umgekommen. Als sie den Dreijährigen schließlich nach stundenlangem Suchen fand, war sie so erleichtert, dass sie einen ganzen Tag mit der Vollstreckung der gerechten Strafe wartete. Der kleine Pa sagte kleinlaut: “Ich hab doch nur ein kleines Feuer gemacht, ich weiß nicht, wer das große angezündet hat”. Pa O’Sullivan war Mick Flannery´s Großvater. Wenn Mick seinen Psycho-Song “Small Fire” spielt, dann schickt er gerne diese Geschichte voraus und den Satz: “Den Refrain habe ich von meinem Großvater geklaut.”

 

 

Ich hatte zur Jahreswende gleich zweimal das Vergnügen, Mick Flannery, meinen zweitliebsten irischen Musiker (nach Damien Rice, sorry  . . .) live zu hören und zu sehen: Im INEC in Killarney und bei seinem Silvester-Heimspiel im Opera House in Cork. Der 31-jährige Corkman aus Blarney und seine sechsköpfige Band waren mächtig gut dabei —  eineinhalb Stunden feinste jung-irische Melancholie in Wort und Ton. Diese langsame, schleppende, traurig-schwarze Musik kann nur Flannery spielen. Der Gig im Opera House markierte das Ende eines insgesamt guten Jahres für den Star, der keiner sein will. Sein viertes , im Frühjahr 2014 erschienenes Album “By the Rule” schaffte es in den irischen Charts auf Platz 1, seine Konzerte waren meist ausverkauft. Und vor allem: Sein neues Album gefällt ihm — im Gegensatz zu den drei Vorgängern, selber sehr gut. Er ist zufrieden mit sich und seiner Arbeit, denn er klingt mehr denn je ganz nach sich selbst.

Mick Flannery

Im Jahr 2015 tourt Mick Flannery, der fast ein Jahr lang in Berlin lebte und Deutsch gelernt hat, durch Deutschland. Wer auf gutes Songwriting und authentische zeitgenössische  Rockmusik aus Irland steht, sollte Mick Flannery nicht verpassen. Hier die bislang bestätigten Tour-Daten (aktuelle Infos auf www.mickflannery.com):

01/03/15 Bielefeld, Theaterlabor DE
03/03/15 Köln Studio 672 DE
04/03/15 Wawern Wawern Synagoge DE
05/03/15 STUTTGART ClubCANN DE
06/03/15 München Milla Live Club DE
08/03/15 A-WIEN WuK Foyer AT
10/03/15 WIESBADEN Schlachthof DE
15/03/15 Berlin Privatclub DE
16/03/15 Hamburg Nochtspeicher DE
17/03/15 LEIPZIG Moritzbastei DE
18/03/15 ROSTOCK MAU Club DE

 

Im Sommer 2012 hatte ich an dieser Stelle über den Musiker geschrieben, der anders ist als die erfolgreichen Mainstream-Musiker und der sich dem konventionellen Show Business so gut es geht verweigert:

This is Mick Flannery! Wenn er die Instrumente für den Auftritt stimmt, wenn er in Jeans und Arbeiterhemd über die Bühne geht, kräftig, fast schwerfällig, kann man ihn für einen Roadie halten. Er könnte genau so gut Farmer, Bauarbeiter oder Steinmetz sein. Er ist Steinmetz. Und ein Star. Mick Flannery,  der im November 1983 geborene Singer-Songwriter aus Blarney im County Cork. Seit dem Erscheinen seines zweiten Albums, “White Lies,” vor vier Jahren ist Mick einem breiteren Publikum bekannt. Seitdem hat seine musikalische Karriere an Fahrt aufgenommen.

Mick Flannery klingt wie eine Mischung aus Tom Waits und Bruce Springsteen. Er hat Steinbeck und Bukowski gelesen, stellt sich in die musikanische Tradition von Bob Dylan, Leonard Cohen und eben Tom Waits — manche nennen ihn den neuen oder den irischen Tom Waits. Doch er ist Mick Flannery. Ein Gefühlsgigant, ein Meister der rohen Melancholie und der temperierten Schwermut, wenn er singt, ein wortkarger Eigenbrötler in den Pausen zwischen den Songs. Das Lissard Festival 2012 bespielte Mick Flannery  mit seiner gut geölten Rock & Polka-Band der “Red-to-Blue-Tournee”.  Die selbst geschriebenen Lieder handeln vom Scheitern, vom gebrochenen Herzen. Mick spielt Gitarre und E-Piano. Ansagen zu den Songs gibt es keine, doch eine: “I travelled to Boston. I wrote a song about Boston. Imaginative”. Am Ende ein einsilbiges genuscheltes “Thanks”.

Mick Flannery gilt als schüchtern und er hat offensichtlich gelernt, den Charakterzug zu kultivieren. Er lässt die Fangemeinde gerne wissen, dass er kein Party-Kracher ist, dass er lieber still in der Ecke sitzt und beobachtet, dass er ein “dour bollocks” ist, ein mürrischer Sack. Dass er immer noch gerne als Steinmetz arbeitet und lieber mit seinen Arbeiter-Freunden abhängt als mit Musiker-Kollegen, dass er lieber über Sex als über Musik redet. Was Flannery zu sagen hat, das singt er. Lieder wie das Land, um die deutsche Bierwerbung zu bemühen. Melancholisch, roh und sanft zugleich, schwer und gefühlig, gebrochen und doch ganz, immer gut für eine Gänsehaut. Mick Flannery ist Irlands “Anti-Star”-Star — der Star der Wirtschaftskrise, der Star, der einer ist, weil er keiner ist. Sein im März erschienenes drittes Album “Red to Blue” schaffte hier daheim die Nummer 1 der Charts.

Musik von Mick Flannery gibt es hier.

Hört mal rein:

Fotos: ©  Markus Bäuchle 2012-2014

Aktualisierte Version eines Beitrags vom 7. August 2012.