Die Erle

 

Der Baum des Monats März/April: Die Erle. Ein Beitrag von Elisabeth Firsching

 

Die Erle. Der deutsch-britische Schriftsteller Robert Graves wollte wissen, dass der Kalender, auf dem der Keltische Baumkreis begründet ist, um die 5000 Jahre alt ist. Nach Graves Rekonstruktion im Buch “Die weiße Göttin” herrscht die Erle (Alnus, Alder) im Jahreskreis über den Zeitraum vom 18. März bis zum 14. April. Ihr Name im Ogham-Alphabet ist Fearn, die zugehörigen Buchstaben sind F und V.

Wir können uns nur schwer vorstellen, welchen Reim sich die Menschen vor tausenden Jahren zu verschiedenen Aspekten ihres Lebens gemacht haben. So wie wir leben, in den Städten weitgehend von der Natur abgekoppelt, können wir kaum nachempfinden, welche Ängste das Denken unserer Ahnen bestimmt hat und warum sie an Geister und Elfen geglaubt haben. Mit der Erle begegnen wir nun ehemals finsteren Welten.

Heute fürchtet sich wohl kaum jemand noch vor Sümpfen oder davor, im Moor der weißen Frau oder Hexen zu begegnen, getötet und als ein Anderer wieder lebendig gemacht zu werden. Wir fühlen das Unheimliche in einem Erlenbruch nicht mehr, wir nehmen höchstens seine Erscheinung gemäß der herrschenden Jahreszeit wahr. Für uns ist die Natur weitgehend unbeseelt.Wir stehen ihr oft merkwürdig neutral und sehr distanziert gegenüber.

Die Erle wächst bevorzugt auf staunassen, nährstoffreichen Standorten. Mithilfe eines Bakteriums, das in ihren Wurzelknöllchen symbiotisch lebt, bindet sie Stickstoff aus der Luft und kann damit im Wasser stehend auch länger anhaltendes Hochwasser überleben. Sie befestigt mit ihren tiefreichenden Wurzeln das Ufer von Bachläufen, kein Sturm kann sie entwurzeln, so gut verankert ist sie. Unter Wasser ist Erlenholz konkurrenzlos langlebig, gerade auch als Totholz, sodass Erlenstämme seit alters her für die im Wasser benötigten Stützen von Pfahlbauten verwendet wurden. Aus den verschiedenen Bestandteilen, wie der Rinde oder den Blättern wurde schwarze und braune Farbe gewonnen. Das Holz eignet sich gut zum Beizen, Polieren und Lackieren. Es  wird gerne, auch weil es sehr leicht ist, als Furnierholz verwendet.

Der morastige Erlenbruch ( Der Begriff “Bruch” bezeichnet eine sumpfige Gegend) war früher ein unheimlicher Ort, den man nach Möglichkeit mied. In der Vorstellung der Menschen diente er als großer Kessel für die Totengöttin. Im Moor waren die Opferstätten zu finden. Da wurde Leben beendet und auch wieder geboren. Große transformatorische Kräfte waren hier am Werk. In den sumpfigen Gründen, wo nur mehr Erlen wachsen konnten, war das Reich der Weißen Göttin in ihrem verwandelnden Aspekt. Die einfache Landbevölkerung wusste tausende Geschichten aus diesen unheimlichen Landschaften zu erzählen. Im Erlenbruch gab es Irrlichter, die gruselige Schauer über den Rücken jagten. Er war das Zuhause der Geister von Selbstmördern und Ertrunkenen, das auch nach dem einfachen Wanderer griff und ihn nie mehr losließ. Ein großer Teil Irlands ist von Hochmoor, feuchten Gründen entlang von Gewässern und Seen bedeckt, kein Wunder, dass auch die Sagenwelt mit Erzählungen aus diesen Landschaften durchdrungen war.

 

Die Erle ist gut verwurzelt, angepasst und stark

 

Die Autorin im Wald: Elisabeth Firsching.

Die Erle wurde von den Vorfahren mit allerlei Unheimlichem in Verbindung gebracht

Der Glaube an die zerstörerische Macht der Weißen Göttin diente unseren Ahnen als Projektionsfläche für die unbeherrschbaren Kräfte der Natur. Das zu verdrängen, die Achtung vor der Größe, Stärke und Schönheit unserer Mutter Erde zu verlieren, kann uns Menschen in die Irre führen, wie denjenigen, der den Irrlichtern im Moor folgt und darin verloren geht. Es ist hoch an der Zeit, uns wieder in Liebe der Erde zuzuwenden, sie als nährende Mutter anzuerkennen. Nicht aus Angst, sondern in dem Bewusstsein, mit unserem Körper immer mit ihr verbunden zu sein. Gut verwurzelt zeigt die Erle, dass es in der Natur viele Möglichkeiten gibt. Angepasst und stark hat sie ihre Nische gefunden und bietet einen Lebensraum für viele Tiere und Pflanzen. Auch von diesem heiligen Baum der Kelten können wir viel lernen.

 

Anm: Der Keltische Baumkalender, wie wir ihn heute kennen, geht auf Eingebungen des Lyrikers Robert von Ranke-Graves zurück, der im Jahr 1946 in dem Buch The White Goddess (deutsch 1948 Die weiße Göttin) den Monaten Baumnamen zuwies, die zum Teil spekulativ dem Ogham-Alphabet entnommen waren. Den Bäumen wies Graves bestimmte Eigenschaften zu, die Bedeutung für in diesem Monat Geborene haben sollten.