Der deutsch-irische Musiker und Autor Patrick Steinbach aus Neu-Isenburg zählt den Poulnabrone Dolmen im Burren in County Clare zu seinen Lieblingsorten. Patrick schickte uns einige Zeilen zu unserer Irland-Sommer-Serie:

“Ich finde deine Aktion, dass Irlandfans bei dir etwas veröffentlichen können, sehr schön. Jeder Irlandurlaub hinterlässt irgendwelche Spuren in der Seele. Meist sind es ja ganz ähnliche Erfahrungen, welche die Leute machen…es hat immer auch etwas damit zu tun, dass man auf sich selbst zurückgeworfen wird… Was gibt es nicht schöneres, als das Gefühl von „Einsamkeit“ mit anderen zu teilen? Viele Liebe Grüße … und mache bitte weiter so. Patrick Steinbach.”


Zu seinem Lieblingsort schreibt Patrick Steinbach in seinem 2009 erschienen Buch “Fahrtwind“: “Er ist wohl der meistfotografierte Dolmen in Irland. Auch wenn dieses prähistorische Relikt nur knapp hundert Meter neben der R480 liegt, so kann es doch passieren, dass man geradewegs daran vorbeifährt. Es gibt herrliche Postkarten, die den Dolmen bei Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang zeigen. Grandios in Szene gesetzt im Gegenlicht mit violett strahlenden Wolkenbändern im Hintergrund. Ein uraltes Monument, das alle Wirren überstanden hat und nun als stiller Zeuge einer Zeit zum Staunen und Rätseln einlädt, über die wir fast nichts wissen. Wesentlich älter als die Kreisanlage Stonehenge in England und auch älter als die ägyptischen Pyramiden verweigern die zum Teil Tonnen schweren Steinplatten jede Auskunft. Eine Deckplatte wird von vier seitlich in der Erde stehenden Wänden getragen. Lange wusste man nicht, wozu der Dolmen diente. Doch entdeckten Forscher mit der Zeit immer mehr Indizien, die nur einen Schluss zuließen:
Es ist eine Totenkompostierungsanlage. Hier sollen einmal ranghohe Verstorbene eines Clans zur letzten Ruhe gebettet worden sein. Dann wurde der Dolmen komplett mit Erde zugeschüttet. Es muss also zu einer Zeit in Gebrauch gewesen sein, in der die Erosion noch nicht so fortgeschritten war. Nach einem Jahr wurde die Erde entfernt, der Verstorbene war offensichtlich wieder von Mutter Erde aufgenommen worden. Wegrecycelt.

Es ist fast unmöglich ein Foto von dem Dolmen zu machen, auf dem nicht irgendwelche Touristen zu sehen sind. Der Parkplatz neben der Straße hat Platz für zwei Busse. Es ist ein wirklich mystischer Ort, dem leider allzu schnell die Mystik abhanden kommt, weil es mittlerweile viel zu viele Mystik suchende Menschen gibt. Man kann es niemandem vorwerfen. Aber es ist schon erstaunlich, was eine Hand voll Leute anstellen kann. Den Dolmen richtig erleben tut man eigentlich nur alleine, oder mit der Freundin. Natürlich ist es besser, an solch einem Ort ganz still zu sein. Allein schon, weil man nicht weiß, ob nicht vielleicht ein paar von den alten Toten überlebt haben könnten. Wenn man den Poulnabrone Dolmen zum ersten Mal sieht, kann es sein, dass man ein wenig enttäuscht ist. Das hängt mit den tollen Postkarten zusammen, auf denen niemals irgendwelche Menschen zu sehen sind. Deswegen fehlt dem Betrachter auch ein vergleichender Maßstab.

Die meisten Bilder, die es von dem Dolmen gibt, müssen aus der Ameisenperspektive aufgenommen worden sein. Steil ragen die Steinplatten in den Himmel. Voller Ehrfurcht stellt man sich ein mehrere Meter hohes Steinmonument vor. In Wirklichkeit ist er nicht viel größer als eine Hundehütte. Natürlich darf man jetzt nicht den Respekt verlieren, nur weil einem das Ding bis zu den Hüften reicht.

Auch darf man nicht den Fehler machen und immerzu nur auf den Dolmen schauen. Die gesamte Landschaft, in der er steht, ist ja ebenso alt, genauso interessant. Wie haben sich die Menschen damals durch die Gegend bewegt? Wie weit konnte man damals in die Landschaft hineinblicken? Ich vermag es ehrlich gesagt nicht, mir vorzustellen, wie es hier vor 5000 Jahren einmal ausgesehen hat. Mitten in einem abgelegenen Wald stand auf einem kleinen Hügel ein alter Komposter aus Stein. Die Wege, die zu ihm hin und die von ihm weg führten sind längst verschwunden. Er ist als einziges Zeugnis übrig geblieben.”