Deutsche in Irland

Stephan Remagen


Deutsche in Irland  (Folge 15):
Auswandern, Ortswechsel, Neubeginn: Warum zieht es Deutsche (Schweizer und Österreicher) aus ihrer Heimat ausgerechnet nach Irland? Wie leben sie hier? Werden ihre Erwartungen erfüllt? Was gefällt ihnen und womit haben sie Probleme? Wir stellen Menschen vor, die den Sprung gewagt haben und auf der Insel leben. Wir starten heute Staffel zwei* der Serie mit: Stephan Remagen.

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Stephan Remagen (50) lebt seit zwei Jahren in St. Finian’s Bay, Ballinskelligs im County Kerry. Stephan ist gelernter Event-Manager und leitet seine deutsche Agentur von Irland aus.

Stephan, warum lebst Du in Irland? Was hat Dich hierher geführt?
Ich kenne Irland seit meinen ersten Reisen Ende der 80er Jahre. Seit dieser Zeit war ich nahezu jedes Jahr hier und habe sehr viele „Ecken“ der Insel besucht. Der erste Impuls war eine kurzer Fernsehwerbespot, der mich neugierig machte. Das Land hat mich auch in meinem deutschen Alltag nie wieder losgelassen. Die Entscheidung, die Zelte in Deutschland 2019 endgültig abzubrechen, fällte dann aber meine Frau Anja.

 

Deutsche in Irland

Wahlheimat St. Finian’s Bay, Ballinskelligs

Bist Du mit Familie umgezogen?
Mit Frau Anja und den beiden Kindern Emma (7) und Niklas (6). Wir kamen aus einem Ort bei Esslingen am Neckar.

Konntet Ihr beruflich gut Fuß fassen? Wie bestreitet Ihr Euren Lebensunterhalt?
Der Drei- bis Vier-Jahresplan sah vor, das berufliche Umfeld Schritt für Schritt nach Irland zu verlegen.Die Dinge haben sich dann auch zunächst prima entwickelt. Corona und die Maßnahmen haben uns natürlich nicht gerade in die Karten gespielt. Nun gestalten wir weitere Alternativen. Wir arbeiten privat an einem bewussteren und nachhaltigeren Lebensstil. Dieser soll auch für unser zukünftiges Business prägend sein.


 

Staffel 2: Von 2009 bis 2014 haben wir hier auf Irlandnews bereits 14 Deutsche, Schweizer und Österreicher vorgestellt, die in Irland leben und arbeiten. Seitdem hat sich vieles verändert, nicht zuletzt die Motivation auf die Insel im Atlantik zu ziehen.

Irland ist ein anderes Land geworden, die Ungleichzeitigkeit hat zugenommen, in der Gesellschaft zeigen sich Risse. Auf dem europäischen Kontinent feiert der Nationalismus ein Comeback. Die ökologische Krise eskaliert, der Umgang mit Corona hinterlässt in allen Ländern tiefe Spuren. Wir sind neugierig, was uns die Deutschen in Irland im Jahr 2021 antworten werden.

Alle Beiträge von Deutsche in Irland, auch die neuen Folgen, gibt es im Überblick hier. KLICK

 


Haben sich die Erwartungen an das Leben in der Wahlheimat soweit erfüllt?
Wir kannten das Land und die Menschen schon von unseren vielen Besuchen gut. Außerdem haben wir deutsche Freunde, die schon länger im Land leben. Dennoch ist der Blick als Tourist auf die Begebenheiten vor Ort fast schon zwingend ein anderer. Auch wenn die Corona-Zeit hier in Irland sehr bleiern daherkommt, haben wir trotzdem nicht den leisesten Zweifel, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

 

Deutsche in Irland

Stephan mit Kindern beim Strandspaziergang

 

Wie lebt es sich als Deutscher auf der Insel? Wie kommt Du mit der irischen Mentalität und mit den Menschen zurecht?
Wunderbar ! Die Iren mögen uns Deutsche in der Regel. Möglicherweise aus fragwürdigen Gründen, aber in der Konsequenz macht es keinen Unterschied. Eine gewisse „Leben und Leben lassen“-Mentalität der Iren kommt uns sehr entgegen.

Hast Du irische Freunde, einen Freundeskreis, gute Bekannte?
Einen kleinen aber feinen, würde ich sagen. Dies ist aber auch so von uns bewusst so gewählt.

Hast Du einen deutschen Freundeskreis hier in Irland?
Ja, aber auch der ist überschaubar. Ansonsten gibt es insbesondere in Kerry sehr viele Deutsche. Wir kennen einige, aber es sind mehr flüchtige Bekannte.

 

Das einzige Land mit einem eigenen Geruch

Was unterscheidet Freundschaften mit Iren von Freundschaften mit Deutschen?
Die irischen sind unverbindlicher und somit auch unkomplizierter. Die Dinge sind emotional nicht so aufgeladen. Es ist eine Umstellung, aber wenn man sich darauf einlässt, ist es sehr angenehm. Es bedeutet aber nicht, dass man sich auf irische Freunde nicht auch verlassen kann, wenn es von Nöten ist.

Was magst Du besonders an Irland?
Stille, Natur und die Farben im nie endenden Wechselspiel von Wolken und Sonne. Dazu hat Irland wohl als einziges Land einen eigenen Geruch. So werden alle Sinne angesprochen.

Was magst Du nicht an Irland?
Wie wenig viele Iren selbst ihr Paradies vor der eigenen Haustür wertschätzen. Das ländliche Irland, in dem auch wir zuhause sind, kommt mehr und mehr unter Druck. Auch in Dublin hat die neoliberale Agenda zu fatalen Entscheidungen geführt.

Was zeigst Du Besuchern aus Deutschland in Irland am liebsten?
Leider haben durch „C“ sehr wenige Besuche bislang stattfinden können. Ich habe mir aber eine große Zahl von Ecken und Gegenden für unsere Besucher zurecht gelegt. Sie werden aber in der Regel in keinem der gängigen Reiseführer zu finden sein.

 

 

Die neue Heimat am Atlantik mit Blick auf die Skelligs

 

 

Was aus der „alten Heimat“ vermisst Du hier?
Ein frisch gezapftes Kölsch nach einem Stadionbesuch meines FC. Meine Mutter, Geschwister sowie eine Handvoll Freunde und Verwandte. Ansonsten sind es wirklich nur vereinzelte Lebensmittel, die man hier etwas schwieriger bekommt.

Hast Du persönlich oder anderen Ex-Patriats gegenüber hier in Irland schon einmal Fremdenfeindlichkeit erlebt?
Sehr selten und eigentlich auch nichts, was über die Kategorie „ unpassende Bemerkung“ hinaus ging.

Hat sich Dein Blick auf Irland in der Zeit, in der Du hier lebst, verändert?
Darauf würde ich gerne nach Corona nochmal zurück kommen. Die Veränderungen werden wie in allen Ländern gravierend sein. Es wird auch mit den Krisen zuvor nicht vergleichbar sein. Dennoch habe ich die Hoffnung dass die krisenerprobten Iren auch diese Herausforderung mit Zusammenhalt und ihrem Optimismus lösen können. Aber auch hier zeigen sich Risse in der Gesellschaft.

Hat sich Dein Blick auf Deutschland in der Zeit, in der Du hier lebst, verändert?
Wir sahen Deutschland schon weit vor unserem Wegzug auf keinem guten Weg. Leider verfestigt sich der Eindruck auch während dieser einschneidenden Zeit. Das Land steuert auf eine handfeste Vertrauenskrise in allen Institutionen zu. Die gesellschaftliche Spaltung ist in einem Ausmaß gewachsen, das einem wirklich Angst macht. Die sogenannten Eliten sind in einem erbärmlichen Zustand.

Für viele deutsche Urlauber ist Irland das „gelobte Land,“ in dem sie auch gerne leben würden. Was sagst Du diesen?
Wenn man seine deutsche Vollkasko-Mentalität ablegen kann und es gewohnt ist, die Dinge auch selbst in die Hand nehmen, kann Irland auch so etwas wie das gelobte Land sein. Realitätssinn und das Ablegen der grünen Brille sind allerdings schon von Nöten.

Würdest Du den Schritt noch einmal tun?
Ein überzeugtes Ja.

PS:Wie Stephan mit Blick auf die Skelligs arbeitet, als säße er in Stuttgart (oder anderswo), berichten wir morgen hier auf Irlandnews. Stephan lädt Irlandnews-LeserInnen dann zu einem besonderen Online-Event ein. 

 

Fotos: Stephan Remagen