Eircode – die Postleitzahl Irlands setzt sich ganz langsam durch.

29. November 2018. Eircode? Eircode! Im Sommer vor drei Jahren wurde es halbernst. Irlands Postleitzahlensystem Eircode ging nach Verzögerungen und Pannen im Juli 2015 endlich an den Start. Ich überschrieb einen Beitrag über die Einführung der Postleitzahlen damals mit: “Die Postleitzahlen kommen. Ein bisschen . . .” . Jetzt, drei Jahre und 38 Millionen Euro Investitionen später, scheinen sich Menschen und Unternehmen in Irland mit dem Eircode langsam anzufreunden.

Immerhin gaben bei einer Umfrage von The Journal über 50 Prozent der Teilnehmer an, sie würden Eircode mittlerweile nutzen. Zeitungen schreiben nun schon auch mal freundlichere Beiträge über das viel gebashte System,  wir wwerden nun immer mal wieder nach dem eigenen Eircode gefragt, viele Kuriere und Paketzusteller nutzen das System mittlerweile, das jedes Gebäude in Irland unverwechselbar identifiziert und lokalisiert; und manche Navis haben die Eircodes mittlerweile auch eingebaut. Trotz aller Kritik und aller Unzulänglichkeiten (Eircode bildet zum Beispiel keine Nachbarschaften ab, die Codes sind eher willkürlich auf die Häuser verteilt), die Story vom herrlich chaotischen, postleitzahlenlosen Irland muss langsam umgeschrieben werden.

Hier die Historie eines umstrittenen irischen Infrastruktur-Projekts:

29. Juli 2015. Der Eircode für Eire: Oft angekündigt, oft verschoben und nie gewünscht: Vorgestern kam der Brief mit unserer Postleitzahl. Die Post schickt derzeit an 2,2 Millionen Adressen im Land die lange angekündigte Postleitzahl. Der siebenstellige Eircode hat die Systematik: Xnn YZnn und soll die eindeutige Identifizierung jedes einzelnen Hauses ermöglichen. Mag sein. Denn bislang gibt es für jedes dritte Gebäude in Irland keine eindeutige Adresse. Für postalische Zwecke allerdings, um die vielzitierten Postlieferungen, die Pakete, Päckchen und Einschreiben künftig sicher zustellen zu können, scheint das neue Postleitzahlensystem nicht zu taugen. Dafür eher zur besseren Kontrolle der Insel-Bürger. Die Leitartikler in den irischen Zeitungen mutmaßen denn auch fleißig, dass der Eircode eine gelungene Sache sei für das Finanzamt, für die Sozial- und Gesundheitsbehörden und für andere staatliche Dienstleister, um endlich der fehlenden Meldepflicht beizukommen und die Bürger im Land besser zu fassen zu bekommen, um Steuer- Sozial- und anderen Betrug besser zu bekämpfen.

Mag sein. Alle großen Spediteure, Transporteure, Kuriere und Logistikunternehmen lehnen das irische Postleitzahlensystem genauso ab wie die Anbieter von GPS-Lösungen. Und der Clou ist: Das neue System ist freiwillig und völlig unverbindlich. Es kann also alles beim Alten bleiben. Gut so, denn laut Eircode wohnen wir nun plötzlich im Townland von Derrycreigh, sind über Nacht vom Townland Ardaturrish Beg über den Grenzbach nach Nordosten gezogen. Und das ist nachweislich nicht der Fall, will heißen: Eircode liegt falsch, wir bleiben in Ardaturrish Beg wohnen.

Wird das mittlerweile 28 Millionen Euro teure grüne PLZ-Werk also zur Lachnummer? Hier noch einmal der Irlandnews-Bericht vom Frühjahr 2015 mit den Hintergründen zu Eircode:

 
Irland ist anders (soll aber gleicher werden): Unsere irische Postadresse ruft bei Menschen im kleinen Rest der Welt immer wieder ungläubiges Staunen hervor: “Keine Postleitzahl, keine Hausnummer – aber geben Sie vorsichtshalber unsere Telefonnummer im Adressfeld an.” Ja geht so etwas in der modernen Welt? Es geht, aber nicht mehr lange. Im kommenden Jahr soll nun auch Irland als eines der letzten Länder Europas ein Postleitzahlensystem bekommen. Eircode heißt der Weisheit postalischer Treffsicherheit letzter Schluss und wird für Frühjahr 2015 angekündigt. Jedes Haus, jede Wohnung und jedes Business sollen einen 7-stellige Identitifizierungscode erhalten und dann soll jede der 2,2 Millionen Adressen der Insel-Republik eindeutig und einwandfrei auffindbar sein. Soll. Denn eigentlich sollten die Postleitzahlen für Irland schon 2008 kommen. Und eigentlich weiß keiner so recht, ob Eircode nicht doch das gleiche Schicksal ereilen wird wie die super-modernen und sündhaft teuren irischen Wahlmaschinen: Jene wanderten mangels Tauglichkeit von der Fabrik direkt auf den Müll.

Nachdenklich stimmt: Noch bevor das fast 20 Millionen Euro teure “Wunderwerk” Eircode das Licht der Welt erblickt, hagelt es schon vernichtende Kritik: Die einen maulen, das Postleitzahlensystem IE-2015 sei keinen Deut besser und smarter als das erste Postleitzahlensystem, das 1857 für London entwickelt worden war. Die Branchenverbände der Spediteure und Kuriere raten, Eircode unbesehen einzustampfen, weil es eine unintelligente Insellösung sei: Das von der Regierung beauftragte Unternehmen hat es offensichtich gerade mal geschafft, eine uralte post-interne Orts-Datenbank zu revitaisieren und diese zum öffentlichen Postleitzahlensystem hochzujubeln.

 

Im Zeitalter von GPS, Geo-Technologien und Smart Economy wirkt schon ein wenig befremdlich, dass die Entwickler von Eircode jedem Haus eine zufällig ausgewählte Nummer zuteilen. Zwar weisen die ersten drei Ziffern auf eine der 139 regionalen Zustell-Zentren der Post hin, die jeweilige vierstellige ID-Nummer für das Haus lässt eine detaillierte Orientierung jedoch nicht zu: So haben zwei benachbarte Häuser völlig unterschiedliche Eircodes und das System entzieht sich komplett der modernen Navigationstechnik. They do it their way: the Irish way.

Immerhin: Auch wenn Irland wieder ein Stück gleicher gemacht werden soll, bleibt doch alles anders.

PS: Das Fehlen von Postleitzahlen und eindeutigen Postadressen sorgt in Irland immer wieder für  großartige wahre Geschichten: So gibt es Häuser, die bis zu sieben (!) verschiedene Adressen haben. Zudem firmieren viele Häuser in einer Straße unter derselben Adresse — und wenn dann noch alle Bewohner den gleichen Nachnamen haben (wie die O`Sullivans in unserer Region), dann kann es allenfalls der absolut ortskundige Briefträger ordentlich richten. Man kann sich leicht vorstellen, wie viele Lieferungen von Amazon und Apple bis Zara im irischen Adress-Dschungel bis heute verloren gingen oder bewusst verschwanden. Nicht umsonst weigern sich viele britische Firmen, ihre Ware nach Irland auszuliefern. Bemerkenswert auch die Bereicherungsstrategie eines Iren, der sich für ein und dasselbe Haus unter Zuhilfenahme von fünf leicht unterschiedlichen Adressen bei fünf verschiedenen Banken erfolgreich fünf Großkredite beschaffte. Lang lebe Ned Devine — ob mit oder ohne Postleitzahl!

Foto: Eircode; mehr Infos: www.eircode.ie