Das neue Buch des ehemaligen SPIEGEL-Journalisten, Irland-Kenners und Irland-Teilzeit-Residenten Dirk Koch hat Susanne Kardel gelesen und stellt es auf Irlandnews vor.

Irland BücherKennen Sie Murt? Murt ist Großvater und Ire. Kauzig. Stur. Listig. Lebensklug. Mit einer Prise irischem Humor vermittelt der alte Seefahrer seinem Enkel Harry, wie das Leben tickt, wie es auf irische Art und Weise tickt. Murt ist Prototyp in Dirk Kochs gleichnamigem Buch „Murt – Die Geschichten von der Insel des Mondes“. Insel des Mondes? „Insel des Mondes“, hätten die Römer schon gesagt, hätten Angst gehabt, hätten sich nicht getraut, die Iren anzugreifen. „Insel des Mondes, das ist die Insel des Todes“, um es mit Murts Worten zu sagen.

Dirk Koch, der viele Jahre SPIEGEL-Chef in Bonn und Brüssel war, erzählt in mehreren Episoden von dem, was er selber in 40 Jahren Leben auf der Grünen Insel, seiner zweiten Heimat, erlebt und erfahren hat. Augenzwinkernd beschreibt er in den Geschichten, die vor kurzem erschienen sind, die harte Wirklichkeit, die der irischen Landschaft gleicht: karg, rauh, schroff, bisweilen aber auch wildromantisch. Gewissermaßen ist es ein „Irisches Tagebuch der anderen Art“, im dem sich irische Seele und Kultur voller Spannung und Dramatik widerspiegeln.

Dirk Koch versteht es, den Leser hineinzunehmen in seine Erzählungen. Es entsteht das Gefühl, mittendrin zu sein im Geschehen. An Schroffheit überbietet dieses Buch Manches. Grausame Wirklichkeit lässt einem zeitweise den Atem stocken. Man fragt sich an vielen Stellen, ob es dieses Irland tatsächlich noch gibt? Ob es der heutigen Realität, der Moderne standhält oder ob es Geschichten längst vergangener Zeiten sind?

Murt, der Überlebenskünstler, ist zu immer neuen Abenteuern aufgelegt. Zusammen mit dem halbwüchsigen Harry rettet er manch’ Schätze, die das Meer an Land treibt, überlistet er Volk und Kirche, indem er eine Wasserleitung zur Marienquelle umfunktioniert, bringt dem Enkel das Fischen und das Entenhinrichten bei. Alte und neue Geschichten werden lebendig, in denen nur allzu oft Traum und Wirklichkeit verschwimmen, weil Murt mal wieder zu tief ins Glas geschaut hat. Der Alkohol spielt in Murts Leben eine zentrale Rolle wie auch der Tod. Enkel Harry wird in seinen jungen Jahren ständig mit der Härte eines Fischerlebens konfrontiert, das sich nicht nur auf dem offenen Meer zwischen Leben und Tod bewegt.

Schade, dass er die Großmutter nicht mehr gekannt habe, sagt der Junge in den Himmel. Warum die schon gestorben sei? Und ob Großvater traurig sei ohne sie? „Nein“, antwortet Murt nach einer Zeit, „bin ich nicht“. Er habe sie nicht geliebt, „die Frau“. Er habe sie geheiratet, als das Kind, der Vater, unterwegs gewesen sei. Beim zweiten Kind, das nicht habe hervorkommen wollen, sei sie gestorben und das Kind auch. Das Sterben habe lange gedauert, redet der Großvater leise in den Himmel hoch. Ertrinken sei besser, das gehe schneller. Den Tod solle Harry nicht fürchten. „Wenn Du da bist, ist er nicht da. Wenn er da ist, bist Du nicht da“. Das habe ihm ein Russe gesagt, in Cork im Hafen.

Ein sehr lesenswertes Buch, das tiefe Einblicke in die Seele der Iren gewährt und durch seine Lebendigkeit in den Charakteren und der Landschaft besticht, in dem sich auf berührende Weise Tragik und Komik vermischen. Einmal angefangen zu lesen, mag man es nicht mehr aus der Hand legen. „Man versteht Irland besser als in jedem Reiseführer“, sagt der ebenfalls Irland-affine CDU-Politiker Norbert Blüm über das Buch. In der Tat, wer „Murt“ gelesen hat, hat das Gefühl, etwas von Land und Leuten verstanden zu haben.

Wer Dirk Kochs Buch lesen will, hier gibt es die 328 lesenswerten Seiten zu kaufen: Murt, von Dirk Koch. (17,90 €)