Unterwegs im Gleninchaquin am Steinkreis von Uragh in Irland. Dass die Zocker von der Wall Street gerade wieder Milliarden verbrennen, dass Facebook, das größte Täuschungsmanöver der neueren Wirtschaftsgeschichte, endlich entzaubert wird: All dies ist dort hinten in den Bergen von Nord-Beara nicht bedeutend und wird mit Nichtbeachtung gestraft. Hier wird noch bar bezahlt. Hier kennt man sich persönlich, und die eigene Biografie wird allenfalls Stück für Stück in Erzählungen preisgegeben.

An schönen Tagen wartet Patrick Leary im Tal von Inchaquin, am Steinkreis von Uragh, geduldig auf Freunde der Keltensteine. Patrick wandert seit einem dreiviertel Jahrhundert plus einem Jahr auf dieser Erde. Die Berge dort oben sind mittlerweile zu anstrengend für ihn geworden, doch hier unten, auf dem Farmland seiner Familie, erzählt er noch immer gerne von ihnen. Wie er all die Leute auf der Südseite der Halbinsel kennen lernte — weil er entlaufene Schafe von weit her heimholen musste. Über das gesamte Gebirge ist er einst gelaufen. Er kennt alle Gipfel, alle Täler, Glanrastel, Gleninchaquin, Baurearagh, Glantrasna, und wie sie alle heißen, die weitgehend verlassenen Orte.

Heute fragt Patrick die Besucher gerne nach seinem Alter — und freut sich, wenn sie ihn für jünger halten, als er  ist. Das Thema Lebenszeit beschließt er mit einer Frage ans Gegenüber: “Denkst Du, in mir steckt noch ein Jahr?” Man wünscht ihm viele, viele mehr.

Patrick Leary ist im Gleninchaquin geboren, oben am Berg steht sein altes Farmhaus, dort , wo Lord Lansdowne einst mit seinem idyllischen Berg-und Tal-Idyll angegeben hat. Patrick hat an den Ufern der Seen die Schafe gehütet, heute lebt er im nahen Eyeries, ein Kerryman in West Cork, und fährt regelmäßig zur alten Familienfarm, um dort “a few Bob”, ein paar Euro zu verdienen. Touristen, die den Uragh-Steinkreis zwischen den Seen sehen wollen, knöpft der alte Mann zwei Euro ab – schließlich hat er einen schönen Weg zu den alten Steinen gebaut und unterhält die Straße. Schließlich gibt es in der Umgebung noch mehr alte Steine und viel beeindruckende Landschaft zu sehen. Aufgrund der Seen und der vielen Fichten wähnt man sich hier draußen in Kanada. Gleninchaquin und Clonee Lakes sind das Kanada Irlands.

Dieser Vergleich kommt in Patricks Geschichten nicht vor. Die drehen sich um vertrackte Familienverhältnisse, um die Höhen und Tiefen des Zusammenlebens. Patrick erzählt gerne ein paar Geschichten, wenn er – die Line Extension seines Steinkreis-Geschäfts – den Besuchern Postkarten für ein Euro das Stück verkauft. Etwa diese: Der Mann lebt mit seiner Frau und der Schwiegermutter zusammen auf dem Hof. Das Verhältnis zur Schwiegermutter ist chronisch angespannt bis gereizt. Eines Tages muss der Mann mit der alten Dame in die Stadt fahren. Er spannt das Pferd vor den Karren und los geht es. Nach längerer Fahrt auf der Landstraße stellt sich ein Esel quer über die Straße und blockiert den Karren. Die Schwiegermutter, boshaft wie immer, keift in Richtung Schwiegersohn: “Bist Du mit dem verwandt?” . Ohne aufzusehen antwortet der Mann lakonisch: “Der ist angeheiratet”.     

Schäfer im Gleninchaquin auf_Wandern in Irland mit WanderlustDas Postkarten-Foto von Schäfer Patrick Leary und seinem treuen Schäferhund Rosie machte der bekannte Landschafts-Fotograf John Eagle aus Eyeries. John ist auch mit seinen tollen Aufnahmen von Irlands Leuchttürmen bekannt geworden. Seine Website: www.johneaglephoto.com

Foto Mitte: Antje Wendel; Foto oben: Der Uragh-Steinkreis. Foto 2012: Markus Bäuchle