Es gibt in Irland eine Organisation mit dem merkwürdigen Namen “Einer von Vier”. Der gemeinnützige Verein vertritt Opfer sexuellen Missbrauchs und hält für ausgemacht, dass einer von vier jungen Irinnen und Iren in Kirche, Familie oder “Freundeskreis” traumatische sexuelle Erfahrungen durchleiden mussten, bevor sie 18 Jahre alt wurden. Niall* hat das zweifelhafte Vergnügen, Mitglied dieses Clubs zu sein.

Níall wuchs in den 60er Jahren auf. Niall war etwa zehn, als es passierte. Es war der Dorfpfarrer. Niall empfand es als Erleichterung, als die Familie aus dem Dorf wegzog. Er kehrte Jahre später als junger, rebellischer Mann in seine Heimat zurück – und machte keinen Hehl aus seiner Abneigung gegen den frommen Mann von nebenan. Er erzählte seine Geschichte jedem, der sie hören wollte, und so kam dies bald auch dem Pfarrer zu Ohren. Der Priester bestellte Niall ein und befahl ihm wütend: “Du hast nur einen Ausweg: Du musst hier weggehen.” Am nächsten Tag wurde Niall von den zwei Dorfpolizisten auf der Straße aufgegriffen, hinter die Polizeistation geschleppt und schwer verprügelt.

Pfarrer O. starb ein Jahr nach dem Vorfall. Niall lebt in seinem Heimatdorf. Er hat dem mächtigen Club der katholischen Kirche längst den Rücken gekehrt. Manchmal, nachts, wenn er spät nach Hause kommt, läuft er einen kleinen Umweg durch den Kirchhof. Es ist sein Ritual: Niall pinkelt auf das Grab des Pfarrers und murmelt leise: “Nun, wer ist gegangen und wer ist immer noch hier?”

* Name geändert.