Die Bantry Bay im Südwesten Irlands, unsere Wahlheimat am Atlantik, ist eine der schönsten Buchten der Insel, eine viel besungene dazu. Und eine umstrittene. Ging es früher um Landbesitz, Clan-Einflusszonen, Sardinen, um Öl und um weissen Sand, so zankt man sich neuerdings, seit genau fünf Jahren, um Lachsfarmen.

Im Herbst 2015 hat der ehrgeizige damalige Landwirtschafts- und Fischerei-Minister Simon Coveney eine Lizenz für eine Riesen-Lachsfarm in der Bantry Bay erteilt. Am Shot Head soll der Mega-Umweltverschmutzer Marine Harvest, ein norwegischer Fischereimulti mit unrühmlicher Vergangenheit, eine geplante 42 Hektar große Lachsfarm installieren dürfen. Doch noch gibt es einen kleinen Funken Hoffnung, dass das zerstörerische Projekt verhindert werden kann.

Seit gestern findet in Bantry eine zweitägige Anhörung der Widerspruchsführer im Kampf gegen die geplante Lachsfarm am Shot Head, einer weitgehend unberührten Küstenlandschaft, statt. Ein vom genehmigenden Minister ernanntes (!) sechsköpfiges Komittee will sich die Argumente der Farm-Gegner noch einmal anhören, bevor über Zulassung oder Ablehnung der Einsprüche entschieden wird. Ob dies mehr ist als eine Alibi-Veranstaltung, die etwas politischen Druck ablässt, obwohl die endgültige Entscheidung bereits gefallen ist? Pessimisten vermuten dies.
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Idyllische unzerstörte Landschaft am Shot Head

Wir waren gestern dabei, in diesem Experten-Universum, in dem Juristerei und Prozeduren die bunte Lebenswirklichkeit in die Zweidimensionalität formaler Verfahren mit eigener Logik und eigenen Gesetzen mutieren lassen. Hier wird der gesunde Menschenverstand am Eingang abgegeben – und doch sind die allgemein verständlichen Fakten eindeutig:

:: Die über eine Million Lachse würden Fäkalien (“Shit”) produzieren, die einer Stadt mit 60.000 Einwohnern entspräche. Der Gedanke ist skurril: 60.000 Menschen wird erlaubt, ihre tägliche Notdurft in die Meeresbucht zu verrichten – der Output gesellte sich dann zur Notdurft aus all den Anrainergemeinden, die bis heute keine Kläranlagen haben. Die Ausscheidungen der in unten offenen Containern gefangenen Lachse würden der doppelten Menge der Fäkalien aller Anrainer der Bantry Bay entsprechen. (Hier leben weniger als 30.000 Menschen und wenigstens einige Gemeinden haben inzwischen Kläranlagen.) Die Lachsfarm selber würde die ohnehin mäßige Wasserqualität und die Umweltbedingungen in der Bucht dramatisch verschlechtern. Zudem würde ein beachtlicher Teil das Lachsfutters, gepresste Pellets überwiegend aus Fischmehl, auf den Meeresboden sinken und unter den Käfigen in eine tote Mondlandschaft entstehen lassen.

:: Der produzierte atlantische Zuchtlachs ist ein minderwertiges bis gefährliches Nahrungsmittel, das der Gesundheit der Menschen aufgrund der pharmazeutischen Behandlung der Tiere nicht förderlich ist. Der vorbei ziehende gesunde Wildlachs aber wird durch die Lachsfarmen und die in ihnen ständig wütenden Krankheiten weiter dramatisch dezimiert. Eine große Gefahr für Wildlachse stellen die in Lachsfarmen gehäuft auftretenden parasitären Seeläuse dar. Auch der Produktionsaufwand für Lachs ist angesichts der ökologischen Krise unserer Welt geradezu obszön: Für die “Herstellung” von einem Kilogramm Zuchtlachs benötigt es fünf bis sieben Kilogramm Fisch.

:: Der Wildlachs ist in Irland in den vergangenen Jahrzehnten drastisch dezimiert worden: 93 der 147 Lachsflüsse im Land sind mittlerweile für Angler gesperrt, weil die Bestände sich erholen müssen, beziehungsweise bereits erschöpft sind.Der traditionelle Lachsangel-Tourismus sagt in Irland langsam und leise bye-bye.

:: Die Einheimischen in der Bantry Bay haben von dem Deal keine erkennbaren Vorteile. Die Handvoll Arbeitsplätze, die man ihnen verspricht, gehen auf der anderen Seite bei den kleinen Fischern, die ihre Fischgründe verlieren, und im Tourismus verloren. Alles, was den Menschen in der Bucht bleibt, sind Zerstörung, Umweltschäden, Lärm, zusätzlicher Verkehr und wohlmöglich Krankheiten. Die Profite streichen sich die Aktionäre des Fischerei-Multis ein und die Lachse werden nach China geliefert. Wer also profitiert in Irland von diesem Deal?

Dennoch könnte es sein, dass die Gegner zumindest einen deutlichen Aufschub des Projekts erreichen können. Sie argumentieren weder mit Gesundheitsgefahr noch mit Umweltschäden, ihre Waffen sind Verfahrenstechnik und spitzfindige juristische Argumentation. So könnte es sein, dass ein eher unansehnliches Kraut namens Schierlings-Wasserfenchel, der die Elbvertiefung bei Hamburg gerade ein Stück weiter in die Zukunft verbannt hat, seine irische Parallele findet. Die Hoffnung der Lachsfarm-Gegner in der Bantry Bay ist die Fluss-Perlmuschel.

Lachsfarmen in Irland

Lachs aus Käfigen: umstritten und noch begehrt. Foto: © Anaconda Film

Diese Süsswassermuschel, die älter als der Mensch werden kann, lebt noch immer in drei Flüssen, die in die Bantry Bay münden. Sie würde mit dem Wildlachs und der Seeforelle aussterben, weil sie von diesen abhängig ist. Und weil dies sein könnte, ist die Fluss-Perlmuschel laut Umweltrecht der EU nun die neue Heldin der Lachsfarmbekämpfer – zusammen mit dem ebenfalls schützenswerten Otter und mit dem Verfahrensfehlernachweis. Jener ist zwar kein Tier und keine Pflanze, dafür aber ein treuer Helfer der mutigen Kämpfer gegen die einseitigen Regierungsinteressen und zudem ein Freund der Gerichte. So versuchen die Zuchtlachs-Gegner der Regierung nun nachzuweisen, dass sie die Beteiligungsrechte der Öffentlichkeit unzulässig beschnitten hat, dass sie eine unzulängliche Umweltverträglichkeitsprüfung akzeptiert hat, dass sie aus parteiischen Gründen entschieden und missliebige Informationen bewusst unterdrückt hat.

Gekämpft wird im Saal. Kultiviert und mit sanfter Stimme. Und dabei doch unerbittlich. Schließlich geht es um Multimillionen-Profite für Wenige oder um unser aller Umwelt und Gesundheit.

Lachsfarm in Bantry Bay Irland

Die Pläne für eine 42 Hektar große Lachsfarm in der Bantry Bay

Die Lizenzvergabe an Marine Harvest für die Bantry Bay könnte der Auftakt sein für eine ganze Sturmflut von Genehmigungen entlang der Atlantikküste. 46 Standorte für die Fischkäfige weist der irrwitzige Masterplan der irischen Regierung zur systematischen Ausbeutung der eigenen Meere aus. Die Konsequenzen des Big Deals, in dem Großaktionäre, Fischereikonzerne, die chinesische Regierung, einige nicht ganz selbstlose irische Politiker und eine manipulierte Öffentlichkeit die Hauptrollen spielen: Mehr billiger Zuchtlachs für die Welt. Auf dem Altar des Wachstums wird die Umwelt zerstört, werden Tiere gequält, wird minderwertige und gesundheitsgefährdende Nahrung produziert, wird der Wildlachs endgültig ausgerottet.

Und ich bleibe doch dabei: In zehn Jahren wird kein halbwegs gesundheitsbewusster Mensch mehr Lachs aus Lachsfarmen essen. (Hier gibt es mehrere Beiträge über die umstrittenen Lachsfarmen in Irland).

 

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