Die Schlacht von Keimaneigh in West Cork Irland

 

Irland ist für viele Besucher der Inbegriff von Ruhe, Harmonie und Friedlichkeit. Die friedfertige Insel — das war sie nicht immer. Das Land hat sich diesen Frieden gewissermaßen hart erarbeitet — in 2500 Jahren Invasionen, Kriegen, Schlachten und Scharmützeln. Irland war lange der Wilde Westen Europas — und Cork, das Rebel County, galt als der wilde Südwesten im Wilden Westen. Wenn man heute durch die idyllisch-verschlafenen Dörfer West-Corks fährt, erinnert fast nichts an die Jahrhunderte der Gewalt. Fast nichts: Die Iren lieben die Erinnerung an ihre großen und kleinen Kriege und haben die Insel deshalb mit Denkmälern, Gedenktafeln und Gedenkstätten überzogen, die die Gewalt-Eruptionen der Vergangenheit auf die eine oder andere Weise ins Gedächtnis zurück rufen.

Am Pass von Keimaneigh oberhalb von Ballingeary in der Gaeltacht West Corks zum Beispiel erinnert eine Steintafel (oben in Irisch, unten in Englisch) an ein eher wenig gefeiertes Scharmützel und an die Zeit der Bauernaufstände von 1822: In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hatten Bauern auf dem Land Geheimgesellschaften gegründet, die sich gegen Not und Unterdrückung auflehnten: die Whiteboys. Diese Geheimbünde der “weißen Jungs” wurden anonym geführt. Die Mitglieder trugen der Legende nach lange weiße Hemden, um sich gegenseitig zu erkennen. Besser verbrieft ist, dass der Name von der Gewohnheit der Führer rührte, Dokumente wie die Bekennerschreiben mit “Captain White” zu unterschreiben. Die in der englischen Presse als “Banditti” bezeichneten Aufständischen, rebellierten einerseits aus schierer Not gegen die englischen Besatzer:  1821 war die Kartoffelernte einmal mehr ausgefallen, die Preise für landwirtschaftliche Produkte waren im Keller,  die Pflicht-Abgaben an die Kirche der englischen Besatzer, hohe Pachtbeträge und willkürliche Zwangsräumungen setzten die Bauern zusätzlich unter Druck.

Die Whiteboys von Ballingeary, die sich Rockites nannten und ihre Briefe mit “Captain Rock” unterzeichneten, griffen deshalb zu den Waffen. Am 11. Januar 1822 kam es am Pass von Kimeneigh, unweit vom Pilgerort Gougane Barra,  zum Showdown zwischen den Rockites und den Truppen von Lord Bantry, dem mächtigen Landlord. Die Whiteboys töteten einen Soldaten der engischen Truppen. Sie köpften den unglücklichen John Smith und trugen den Kopf auf einer Stange vor sich her. Drei Whiteboys wurden ebenfalls getötet, ein vierter, Edward Ring, wurde festgenommen und Tage später gehängt.

Es gibt Hinweise darauf, dass die Whiteboys von einem religiösen Kult und von den fanatischen anti-protestantischen Doktrinen eines “Signor Pastorini” beeinflusst waren und dass sich die brutale und ausufernde Gewalt der fanatisierten Bauern auch gegen unschuldige und wehrlose Protestanten richtete. Es war mit Sicherheit kein von einer hehren Ideologie inspirierter Aufstand. So stellt sich für die Historiker heute die Frage: Waren die Whiteboys, die Rockites, Helden oder Schurken – oder möglicherweise beides?  Wohl deshalb spielen die Whiteboys in der offiziellen irischen Heldenverehrung eine eher untergeordnete Rolle.  Die Aufstände der Whiteboys jedenfalls waren schon 1825 Geschichte.

PS: Die Gedenktafel am Pass von Keimaneigh wurde im Jahr 1998 von zwei örtlichen Geschichtsvereinen angebracht und kürzlich restauriert. Die Website Irish War Memorials gibt einen guten Überblick über die Kriegs- und Krieger-Denkmäler Irlands.

 

Fotos: Markus Bäuchle [ed120712]