Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte. Wer in diesem langsam endenden Sommer nach Irland reiste, hatte neben Zahnbürste, Unterwäsche, Pass und Regenjacke vor allem eines dabei: die Digitalkamera. Dieses kleine, nur Zigarettenschachtel-große Wundergerät, erbringt nach der Heimkehr den finalen Beweis: Ja, wir waren dort. Wir haben sie gesehen, die Cliffs of Moher, den Rock of Cashel, den Mizen Head, den Giant´s Causeway. Wir waren wirklich dort. Und sie existieren wirklich. Fotografieren war immer schon so etwas wie eine existentielle Rückversicherung, das Festhalten und Einfrieren eines Moments im Strom der Zeit, ein Stück ausgelagerte menschliche Erinnerung.

Lange war Fotografieren die Tätigkeit von Wenigen, dann die von Manchen. Heute ist das Knipsen, auch das anspruchsvolle Abdrücken ein Volkssport mit Milliarden Anhängern. Die Digitalisierung ist die große Demokratisierungsmaschine, die heute Jedem ermöglicht, was einst den Spezialisten vorbehalten war. Wer kann, der darf. Und wer nicht, auch: Jeder ist ein Fotograf, ist kreativ und ausdrucksstark dank 11- Megapixel-Kamera von Saturn und Aldi.

Der Rock of Cashel – 100.000 mal bei Google abrufbar

Bis vor wenigen Jahren wanderten die Kreationen der Amateur-Bildkünstler ins Fotoalbum und damit in die Privatsphäre des Familien- und Freundeskreises. Heute werden die Urlaubserinnerungen in Form kleiner Datenpakete via Picasa, Flickr oder Google Maps der Weltöffentlichkeit des Internets präsentiert.

Der millionenfachen Verfielfältigung sind keine Grenzen gesetzt. Es gibt nur einen Rock of Cashel – aber es gibt hunderttausend öffentlich zugängliche Abbildungen der berühmten Königsburg im County Tipperary  – Tendenz stark steigend. Wie lange wird die Einzigartigkeit des Originals dem Druck der Kopien stand halten? Kann er wirklich schöner, besser, realer sein als seine Abbildungen? Was stellt die Flut der Bilder vom Rock of Cashel mit den Besuchern desselben an? Werden wir irgendwann die Lust verlieren, auch noch das 30-millionste Foto des Monuments zu knipsen? Vielleicht. Nicht.

Der Rock of Cashel –  gesehen vom Profi-Fotografen Peter Zoeller. Mehr außergewöhnliche Aufnahmen von Peter gibt es hier.

Wenn Bilder reden könnten (und auch noch jedes mehr als 100 Worte), wir müssten uns angesichts der großen Kakophonie die Ohren verstopfen. So aber schließen wir einfach die Augen. Oder sehen uns die wenigen Fotos derer an, die es wirklich können: die Werke der herausragenden Fotografen. Diese Profis warten manchmal ein halbes Leben auf den richtigen Zeitpunkt, um genau das Foto zu machen, von dem sie träumen. Das Warten, das Wissen, die Erfahrung, das Können machen den Unterschied – den kleinen und doch so großen Unterschied.