Diplomaten und Banker sind Leute, von denen man keine klaren Worte erwartet. Sie schwurbeln tagein, tagaus im Jargon der Uneigentlichkeit, der Diskretion, der Gemessenheit und der klausulierten Zwischentöne. Es heißt, dass sich Schlaflose gerne einschlägige Reden von Bankern und Diplomaten anhören, um das Eingangstor zum erlösenden Schlummer schneller zu finden. Die Wirkung ist deshalb umso größer, wenn ein Botschafter oder ein Bankenvorstand wirklich einmal klare Worte findet.

Die Deutschen, denen manche Bloggeristos nun wieder das Attribut “hässlich” andichten wollen, gelten in Irland zumindest als gradlinig, humorlos direkt, ja allzu direkt und als im Übermaß zu klaren Worten greifend. Ist es deshalb Zufall, dass gerade deutsche Botschafter und Banker mit den lieben Irinnen und Iren immer mal wieder Klartext reden? Die Überraschung jedenfalls war groß, als der Europäische Zentralbanker Jörg Asmussen (Foto) gestern vor einem kleinen Kreis sich für elitär haltender Denker Tacheles über Irlands Wirtschaft redete. Ganz im Stile des legendären deutschen Botschafters in Dublin, Christian Pauls, der die Iren im Jahr 2007 auf dem Höhepunkt des Keltentiger-Wahns als “zunehmend ungehobelt” und als “vom Geld besessen” abwatschte, packte Top-Banker Asmussen  die rhetorische Peitsche aus.

Der deutsche Sozialdemokrat in Nadelstreifen wählte unzweideutige Worte für das Finanz- und Wirtschafts-Debakel, das Irland seit Ende 2007 erlebt: Irlands Wirtschaft sei durch exzessive Lohnerhöhungen “unfit und übergewichtig” geworden, der Absturz sei größtenteils hausgemacht. Sowohl der öffentliche Dienst als auch die Privatwirtschaft in Irland hätten sich von 2000 bis 2010 doppelt so kräftig bedient wie in anderen EU-Staaten und hätten die Wettbewerbsfähigkeit des Land damit drastisch geschwächt: Die Gehälter von Regierungs-Beamten etwa seien in den zehn Jahren um 90 Prozent gestiegen.

ECB-Banker Asmussen verband die Watschen mit einem ernüchternden Ausblick für die Ambitionen der irischen Regierung: Es werde keinen Schuldenschnitt geben und keine Erleichterung der Schuldenlast für Irland. Irland habe proportional die höchste Finanzhilfe in Europa bekommen und müsse sich nun in den kommenden Jahren mächtig ins Zeug legen, um Schulden abzubauen und die Kurve zur finanziellen Gesundung zu nehmen.  Der deutsche ECB-Banker mahnte vor allem drastische Reformen für die Berufsstände der Juristen und Mediziner an, die sich positiv auf Preise und Arbeitsplatzangebot auswirken würden.

Gestern wurde auch bekannt, dass Irlands Lehrer – mit die best bezahlten in ganz Europa – zusätzlich zu ihren Spitzengehältern Jahr für Jahr rund eine halbe Milliarde Euro an Gratifikationen und Boni einstreichen. Der Staat zahlt dem Lehrpersonal geradezu absurde Zulagen für die Ausübung der Pausenaufsicht, für den Unterricht in Gaeltacht-Gebieten (den Schutz-Reservaten der irischen Sprache) oder einfach fürs Älterwerden. Das zu ändern wird jedoch nicht leicht sein: Die Gehälter im aufgeblähten und überbezahlten öffentlichen Dienst sind durch das Croke Park-Abkommen zwischen Regierung und Gewerkschaften seit 2010 und mindestens bis 2014 weitgehend geschützt. Die Troika muss deshalb schnell Mittel und Wege finden, diese Privilegien zu knacken und die privilegierten Berufsstände am Sparen maßstäblich zu beteiligen.