Old Library_Dublin

Die alte Bibliothek, Old Library, im Trinity College in Dublin

Das Wahrzeichen von Dublin. Die irische Hauptstadt Dublin ist eine impulsive und moderne Metropole, die sich ihre historisch gewachsene Eigenheit in Teilen bewahren konnte. Zu jedem Dublin-Besuch gehört die Erkundung der typischen Sehenswürdigkeiten. Da sollte das Wahrzeichen der Stadt nicht fehlen. Paris kann den Eiffelturm sein eigen nennen, Pisa schmückt sich mit dem schiefen Turm, Londons Big Ben läutet täglich für die vielen Besucher — und Dublin, was steht eigentlich typischerweise für Dublin? Das eine Wahrzeichen, das für Dublin steht, gibt es das? Dublin hat viel Geschichte und viel Kultur, dennoch begeben sich Reiseführer wie Einheimische bisher auf eine eher unsichere Suche nach dem Wahrzeichen der irischen Hauptstadt.

Ein Wahrzeichen – was ist das? Lexika definieren ein Wahrzeichen als ein typisches Merkmal, Erkennungszeichen oder Symbol, durch das geografische Objekte jeglicher Art, insbesondere auch bewohnte Orte und Städte, charakterisiert werden. So weit, so gut. Die Suche nach Dublins typischem Kennzeichen kann beginnen.

Spire_Dublin

“The Spire” auf der O´Connell Street

Eine Nadel als Navigationssystem. Viele Touristen steuern nach ihrer Ankunft in der Hauptstadt die “Spitze” oder “Nadel” an, unter den Einwohnern auch Needle genannt. Ganz offiziell wird die große Skulptur, die auf Dublins O´Connell Street steht, als Monument of Light bezeichnet. Das “Denkmal des Lichts” sollte zum neuen Millennium anfang 2000 fertig sein, das aber klappte nicht. Es ragt knapp 120 Meter gen Himmel, ist 126 Tonnen Stahl schwer und steht seit dem Jahr 2003 in Dublins Zentrum, dort wo sich zwei Hauptverkehrsachsen kreuzen.

Eine Bombe der IRA zerstörte im Jahr 1966 Nelson´s Pillar, das ursprüngliche Denkmal für Lord Nelson, das an gleicher Stelle stand. Die neue Konstruktion sollte das Wahrzeichen der Stadt werden. Ob sie das geschafft hat? The Spire hat sich bisher  zumindest als Orientierungspunkt behaupten können. Von fast jedem Ort der Stadt ist das riesige Denkmal zu sehen. Aber ein wirkliches Wahrzeichen ist es bis heute wohl nicht geworden. Besuchern des überdimensionalen Metallkonstrukts wird schnell klar, dass “The Needle” heute, besonders bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, eher als Treffpunkt und weniger als ein “Must-See” der Stadt gilt.

 

Die schöne Molly Malone. In der Nähe der Grafton Street lässt sich ein weiteres oft fotografiertes Denkmal bestaunen: Die Statue der Molly Malone. Molly Malones gab es in Irland vermutlich viele, doch eine Fischhändlerin aus Dublin machte ihren Namen in aller Welt bekannt.

Molly Malone_Dublin

Die Statue von Molly Malone, zu sehen in der Suffolk Street

Ob Molly tatsächlich existiert hat, wird immer noch diskutiert. Obwohl viele irische Geschichten – auch die von Molly Malone – oft ein wehmütiges Ende haben, sind die Iren nicht als lange trauerndes Volk bekannt. Weltberühmt wurde Molly Malone durch das irische Volkslied “Cockles and Mussels”, das als die inoffizielle Hymne von Dublin gilt. Regelmäßig wird das Lied, direkt vor ihrer Statue, von Einheimischen und Touristen angestimmt. Molly Malone ist zwar traditionsreich genug, um als Bronzestatue ein echtes Erkennungszeichen zu sein, dennoch fehlt ihr das “gewisse Etwas”. Sie ist für die Stadt lediglich eine Möglichkeit, viele Touristen in die Innenstadt und die naheliegenden Einkaufsstraßen zu locken. 

Old Library 2_Dublin

Die beeindruckende Innenarchitektur der Bibliothek im Trinity College

Eine Bibliothek mit großer Tradition. Die Trinity College Library Dublin zählt zu den bedeutendsten Forschungsbibliotheken der Welt und besitzt die größte Sammlung von Handschriften und Büchern in Irland. Die Bibliothek hat einen Bestand von fast drei Millionen Büchern, die in acht Gebäuden untergebracht sind. Diese besteht, seit das Trinity College 1592 von der Königin Elizabeth I. gegründet wurde. Das älteste erhaltene Gebäude ist die Old Library. Die Hauptkammer, der Long Room, ist fast 65 Meter lang und beherbergt rund 200.000 der ältesten Bücher der Bibliothek. Er ist die Hauptattraktion für Besucher des Trinity College. Das Bauwerk beherbergt auch viele wichtige Dokumente der irischen Geschichte. Die dort ausgestellte Proklamation der Irischen Republik aus dem Jahre 1916 ist eine von ungefähr zwölf noch erhaltenen Kopien. Durch ihre Architektur und ihr Design ist sie definitiv ein historisches Highlight Dublins, aber für ein Wahrzeichen zu schwer zugänglich, da sie sich hinter den grauen Mauern der Universität verbirgt.

Ha´Penny Bridge_Dublin

Dublins Ha´Penny Bridge

Eine Brücke, die es den Dublinern angetan hat. Bis heute ist die Half Penny Bridge (Ha´Penny Bridge) einer der wichtigsten “Sightseeing-Spots” der Stadt und genießt deshalb bei den Besuchern Reisenden großes Interesse. Für die Stadt selbst ist sie eines der wohl wichtigsten und ältesten Bauwerke. Die Half Penny Bridge verbindet die Südseite der City, Temple Bar, mit den Einkaufsstraßen die sich rund um die Henry Street, am anderen Flussufer, befinden. Die Iren sind sicher, dass auf dieser Brücke immer ein Bekannter getroffen werden kann – ganz gleich zu welcher Tageszeit diese betreten wird. Heute ist ihr Geländer mit vielen sogenannten “Liebesschlössern” geschmückt. Tausende dieser Liebesbeweise prägen das Aussehen der weißen Metallverstrebungen. Die Brücke, einst eine wichtige Verbindung zwischen den Stadtteilen und in vielen Romanen verewigt, ist ein ernstzunehmender Anwärter auf den Titel des Wahrzeichens Dublins. 

James Joyce_Dublin

James Joyce auf der North Earl Street

Auf den Spuren der irischen Schriftsteller. James Joyce war einer der bedeutenden Schriftsteller Irlands. Besonders seine wegweisenden Werke Dubliners, Ulysses und Finnegans Wake verhalfen ihm zu großer Bekanntheit auf der ganzen Welt. Er gilt als einer der wichtigsten Vertreter der literarischen Moderne. Seine Statue steht auf der North Earl Street, im Herzen Dublins. Die Dubliner haben ihm damit ein Monument gewidmet, das von zahlreichen Besuchern auf verschiedenste Art und Weise das ganze Jahr über abgelichtet wird. Musiker versammeln sich regelmäßig vor der Statue und geben kleine Konzerte. Auch in jedem Reiseführer findet Joyce breite Erwähnung. James Joyce ist zwar Kult und ein wichtiger Teil Irland, doch er steht nicht gesamthaft für die Stadt Dublin. Ihn verband eine ausgeprägte Hassliebe mit der Stadt.

Also, was nun? Ein riesiges Monument, zwei Statuen, eine Brücke und eine Bibliothek wollen nicht so recht überzeugen. Besuchern wird nach einigen Tagen Dublin-Urlaub klar, dass sie in der irischen Hauptstadt das eine Wahrzeichen nicht finden können. Die traditionelle Idee eines Erkennungsmerkmals einer Metropole, wie sie in den Köpfen der Menschen verankert ist, existiert hier nicht. Es zeigt sich: Wieder einmal ist Dublin anders als der Rest Europas. Fest steht: Wahrzeichen lassen sich nicht einfach festlegen oder bestimmen. Oft entscheiden Besucher und Einheimische über die Wirkungskraft einer künstlerischen Installation. Nur weil die Stadt Dublin und sämtliche Reiseführer The Spire oder Molly Malone als Must-See der City bezeichnen, heißt es noch lange nicht, dass sie es wirklich sind.

Ist es vielleicht dieser Ort? . . .

Regenschirme_Dublin

Bunte Regenschirme vor der Bar Zozimus

Eine Marketingidee wird zum heimlichen Wahrzeichen. Ein Dach aus Regenschirmen in der South Anne Street. Die Zozimus Bar eröffnete vor ein paar Monaten in der Innenstadt. Sie versteckt sich in einer kleinen Gasse in der Nähe der Grafton Street. Damit die Gäste möglichst schnell den Weg finden, haben sich die Inhaber der Bar eine Installation der besonderen Art ausgedacht. Ein bunter Wegweiser aus schwebenden Schirmen für die Gäste. Eine simple Marketingidee, die es in sich hat. Das zahlte sich aus: In sämtlichen sozialen Netzwerken und Zeitungen wurde von dieser bisher einzigartigen Idee berichtet. Schnell hatten die Regenschirme die Herzen der Menschen erobert: Bunt, frech, fröhlich, wandelbar und lebendig. Dieses Kunstwerk charakterisiert die Stadt Dublin und die Menschen, die in ihr leben. Die Idee soll noch für einige Zeit sichtbar bleiben, vielleicht sogar dauerhaft vor der Bar zu sehen sein. Gerade bei Dunkelheit sind die beleuchteten Regenschirme ein Hingucker. Und eines ist sicher: Dieser Anblick wird in Erinnerung bleiben und den Besucher immer wieder an Dublin zurückdenken lassen. Aber sind die Schirme in der South Anne Street deshalb schon ein Wahrzeichen?

Jetzt seid Ihr dran. Was ist für Euch das Wahrzeichen Dublins? Kommentare bitte unten im Kommentarfeld . . .

 

Nadine Eckmann

Die Autorin: Nadine Eckmann hat Theologie und Medienwissenschaften studiert. Sie lebt seit September 2015 in Dublin und absolviert einen Europäischen Freiwilligen-Dienst bei der Organisation „Friends of the Elderly Ireland“. Mit ihrem plüschigen Reisebegleiter „Zoe“ erkundet sie die Insel und vor allem die Hauptstadt Dublin.

Alle Fotos: Nadine Eckmann