Nein, ich führe keine Bucket List.  Das ist mir seit Samstag klar, nachdem ich ein fast zehn Jahre währendes Ausflugs-Plänchen endlich in die Tat umgesetzt hatte.

Mangan Clock

St. Anne´s in Shandon, Cork City.  Der Glockenturm der fast 300 Jahre alten Kirche thront auf dem Hügel von Shandon über dem Nordarm des River Lee und überblickt die Innenstadt von Cork. Der Turm beheimatet acht Glocken, die Shandon Bells,  aus dem Jahr 1750 und eines der schwersten Uhrwerke der Welt (das Räderwerk,  hergestellt von Corks Uhrmacher James Mangan, installiert im Jahr 1847, wiegt zwei Tonnen). Von weit her grüßen die riesigen Zifferblätter der Shandon TowerTurmuhr und der goldene, vier Meter lange Lachs auf der Turmspitze.

Es muss vor allem der fischige Windrichtungsanzeiger gewesen sein, der meine Augen stets magisch anzog (de goldie fish, wie die Leute von Cork sagen). Und der Spitzname der Turmuhr, die gerne mal auf allen vier Turmseiten windbedingt verschiedene Uhrzeiten zeigt und deshalb bei den Leuten von Cork the four-faced liar (der vier-gesichtige Lügner) heißt. Die Faszination von Fisch und Folklore reichte allerdings ein Jahrzehnt nicht aus, um auch noch die letzten 37 Meter Höhendifferenz vom Kirchen-Portal zur Aussichtsplattform zu bewältigen.

Aufgang ShandonUp towards the Shandon Bells. Am Samstag war es dann doch so weit. Der Gang hinauf über die enge steile Steintreppe ist ein Trip in die Vergangenheit.

Glocke ShandonEr führt vorbei an den Glockenseilen, wo man (zum Überdruss der Nachbarn in Shandon) selber ein Lied läuten kann, dann am mächtigen Uhrwerk, und schließlich hinauf durch das Glockengestühl, vorbei an den taubensch . . .- verzierten Glocken.

Shandon BellsDann klettert man, fast ein wenig abenteuerlich, mit eingezogenem Kopf durchs Gebälk hinauf auf die Aussichts-Ballustrade. Cork von oben. Eine völlig neue Perspektive. Erhebend.

Blick auf Cork

Zurück am Boden erzähle ich der freundlichen Frau am Pförtnertresen, wie lange ich gebraucht habe, um diese Turm-Tour endlich in die Tat umzusetzen. Amüsiert schlägt sie mir vor, diesen Punkt nun freudig von meiner Bucket List zu streichen.  To kick the bucket heißt so viel wie den Löffel abgeben, und die Eimer-Löffel-Liste führt all die Wünsche auf, die man/frau noch in die Tat umsetzen will, bevor die Shandon oder andere Bells einem das letzte Stündchen schlagen. Selbstverständlich führe sie eine solche persönliche Lister, und ja, ihre Freundin, die grade dazu kommt, natürlich auch.

So dachte ich mir: Warum eigentlich keine Bucket List versuchen? Es müssen ja keine 505 things to do before I die sein, auch keine mit 500 oder 101 oder auch nur 50 Punkten. Vielleicht eine mit zehn? Ein Freund, der gerade eine schwere Zeit durchmacht, hat seine Lebensziele bemerkenswert einfach und gerade deshalb gehaltvoll in einer Dreier-Liste: Gesund werden, mit der Geliebten glücklich bleiben und beruflich Neuland erkunden.  Einfach und deshalb einfach schwer, oder?

Vielleicht sollte ich wirklich mit einer Zehner-Liste beginnen . . .

PS: Führt ihr eine Bucket List, und wenn ja, was steht drauf?

 

Alle Fotos: © 2015 Markus Bäuchle / Wanderlust