Newgrange Irland

Newgrange an einem 21. Dezember kurz nach 9 Uhr. Licht ja, Sonnenstrahlen nein.

Es werde Licht! Die archäologisch interessierte Welt blickte heute morgen zum Sonnenaufgang am Tag vor der Wintersonnenwende in eine kleine unterirdische Kammer auf einem Hügel in Irlands County Meath: Newgrange. Das 5100 Jahre alte Hügelgrab aus der Jungsteinzeit ist Irlands bekanntestes Monument: Älter als Stonehenge, älter als die ägyptischen Pyramiden, gilt die 70 Meter durchmessende Grabanlage am Ufer des Flusses Boyne als der erste menschengemachte Kalender auf der Insel: Nur ein paar Mal im Jahr, am besten am Morgen des 21. oder des 22. Dezembers, dem Tag der Wintersonnenwende, fällt das Licht der aufgehenden Sonne für 15 Minuten durch eine Luke über dem Eingang in das Innere des Ganggrabes, durchflutet den 22 Meter langen Gang und erleuchtet an dessen Ende die Grabkammer. Wenn die Sonne scheint. Heute morgen machte sich die Sonne rar. Ein milder und einigermaßen heller Morgen in Newgrange. Doch die Strahlen der aufgehenden Sonne versteckten sich hinter einer Wolkendecke. Der Effekt blieb aus. Doch keine Bange, er wird sich wieder einstellen. Ein andermal wieder. Vielleicht schon morgen, am kürzesten Tag es Jahres, vielleicht erst in 20 Jahren . . .

Newgrange Irland

Der Eingang von Newgrange

An insgesamt 13 Tagen im Jahr kann das Licht der Morgensonne durch die Öffnung oberhalb des Grabeingangs scheinen, an fünf Tagen, vom 19. bis zum 23. Dezember, erreicht es die Kammer am Ende des Ganges in der Tiefe des Hügels — wenn die Wolken mitspielen. Doch nur an einem Tag des Jahres steht Newgrange im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Auch heute morgen versammelten sich Schaulustige auf dem Hügel von Brú na Bóinne, um die entscheidenden 15 Minuten nach dem Sonnenaufgang vor Ort zu erleben. Die nächste Chance ist morgen.

Genau genommen strahlt die Sonne auch im besten Fall derzeit einen Meter kürzer als zu Zeiten des Baus vor 5100 Jahren in das Innere des Hügelgrabs von Newgrange. Verantwortlich dafür ist die Präzession, die Richtungsänderung der Erdachse. Erst in etwa 25.000 Jahren wird die Erdachse wieder so stehen wie damals in der Jungsteinzeit, als die frühen Siedler am Boyne mit riesigem Aufwand und einer beeindruckenden sozialen Organisation eine der beeindruckendsten Grabanlagen der Welt schufen.

Eine kleine Gruppe von knapp 50 Besuchern, die per Losentscheid ermittelt werden, darf das Licht-Ereignis jedes Jahr kurz vor Weihnachten in der Grabkammer mit verfolgen. 30.000 Menschen hatten sich in diesem Jahr beworben, um an den kürzesten Tagen des Jahres in der Grabkammer auf das Licht am Ende des Tunnels zu warten.

Die teilrestaurierte Grabanlage, wie sie heute existiert, ist unter Historikern und Archaeologen übrigens umstritten. Vor allem die in den 70-er Jahren gebaute Fassade und die Betonstützen im Inneren des Grabes wurden kritisiert.

Fotos: RTE (oben), Markus Bäuchle (unten)

Die erste Version dieses Beitrags wurde am 21. Dezember 2011 an dieser Stelle veröffentlicht.