Nach einigen Jahren Übung reist der deutsche Irland-Bewohner auf den irischen Straßen, als wäre er nie woanders gefahren: Er rollt auf der linken Seite und merkt es nicht – und ist das Strässchen noch so schmal. Warum auch nicht. Bisweilen wird er von Besuchern dann wieder an den straßenordnungspolitischen Unterschied zur alten Heimat erinnert: Besuch hat Angst vor Linksverkehr. Besuch ist zu alt, zu frau (sorry!), zu unflexibel, oder einfach zu bequem, um sich auf die “andere” Straßenseite einzustellen.
Ja, da war was. Der Wanderer erinnert sich. An die Angst vor dem Zusammenprall in der Straßenmitte, mehr noch: den Horror vor dem linken Straßengraben. Dem wollte auch er ganz krampfhaft und unbedingt fernbleiben in den ersten Wochen seiner Linksfahrpraxis. Die Aufgabe, den rechtenlinken Weg zwischen Gegenverkehr und Straßenrand vom rechten Frontsitz aus zu navigieren, sorgte für eine gewisse Aufgewecktheit – zumindest wenn man es mit dem defokussierten Schlafwandeln des routinierten Autolenkers vergleicht.
Und doch: Linksfahren in Irland ist einfach. Es ist schließlich eine Frage des Überlebens – und wer wollte das nicht. Deshalb funktioniert es in der Regel wie auf Knopfdruck. Der landesweit übliche kreuzungsfreie Kreisverkehr macht es zudem ganz leicht: Wer in den (ampelfreien) Kreisel hineinfährt, gewährt Vorfahrt, wer drin ist, genießt sie. Und wer gar keine Peilung hat, hängt sich einfach mal an einen einheimischen Vorfahrer und imitiert zeitversetzt, wie der fährt.
Der Wanderer hatte in den vergangenen zehn Jahren viel Besuch in seiner Wahlheimat Irland. Es ist – mit Ausnahme von zwei kaputten Reifen und einem kleineren Blechschaden – immer gut gegangen. Die Prognose: Lebenslanges Lernen setzt sich als Konzept auch beim Autofahren durch. Deshalb: Allzeit gute Fahrt – auch links von der Mitte!
PS: Es gibt leider auch einige wenige unrühmliche Ausnahmen: Ein deutscher Irland-Resident mit vielen Jahren Inselerfahrung, der sich die Mühe machte, ein Auto für einen irischen Bekannten 2200 Kilometer weit von Deutschland nach Irland zu überführen, musste drei Kilometer vor seinem Ziel in West Cork zur Pinkelpause an den Straßenrand. Er kehrte auf die rechte Seite zurück und verursachte einen veritablen Crash. Das war Pech. Ausnahmen bestätigen die Regel.
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