Bull Rock

Der Bull Rock mit Leuchtturm. Foto: Irish Lights

Geschichten von der Beara-Halbinsel im Süd-Westen Irlands (Teil 11)

von Peter Bernhardt* 

Eine neue Folge im Geschichten-Zyklus über das ländliche Irland an der Atlantikküste. Der Autor Peter Bernhardt* erinnert heute an die stürmischen Zeiten an der Spitze der Beara-Halbinsel am Ende des 19. Jahrhunderts. Wie ein Leuchtturm von Insel zu Insel wanderte . . .  

Nachdem im Winter 1881 der Leuchtturm auf dem Calf Rock durch einen heftigen Orkan zum Einsturz gebracht worden und dieser Teil der Beara Peninsula für die Schifffahrt nicht mehr gesichert war, mußte an der sturmumtosten Küste ganz schnell eine provisorische Lösung her, bevor man auf dem Bull Rock einen neuen Leuchtturm errichten konnte (Die Geschichte des Calf Rock beschreibt Peter hier in dieser Geschichte). In Eile baute man auf der äußersten West-Spitze von Dursey Island eine drei-räumige Holzhütte und bestückte diese mit einer Lampe aus einem Feuerschiff, die man eiligst aus dem Lager von Dun Laoghaire herbeigeschafft hatte. Da man die Wucht der Atlantik-Stürme kannte, wurde die Hütte zügig mit einer Steinmauer umgeben.

Dursey Island

Der alte Behelfsbau auf Dursey Island mit den Resten des zerstörten Leuchtturms auf dem Calf Rock

In der Mitte des Hauptraumes stand ein etwa acht Meter hoher Mast, gesichert durch vier starke Ketten, an dem die Laterne befestigt wurde, umrundet von einem hölzernen Balkon. Schon drei Monate, nachdem das Calf-Rock-Licht hinweg gewaschen worden war, übernahm dieses provisorische Leuchtfeuer auf Dursey am 2. Februar 1882 seinen Dienst und brannte, bis am 1. Januar 1889 der Bull Rock-Leuchtturm eröffnet wurde. Die hölzernen, provisorischen Bauten auf Dursey sind längst verrottet, nur die steinerne Ummantelung ist noch heute in perfektem Zustand zu besichtigen. 

Schon im Jahre 1840 hatte es die Überlegung gegeben, den Leuchtturm auf dem Bull Rock zu errichten, man entschied sich aber für die billigere und leichtere Lösung, den Leuchtturm auf dem Calf Rock zu installieren. Nun, mit den schlechten Erfahrungen, war es eine ausgemachte Sache, daß der Wiederaufbau auf Calf Rock nicht infrage kam, der Bull Rock wurde in Augenschein genommen. Doch auch hier war Königin Victoria die Besitzerin. Der Felsen vor der Beara Halbinsel mußte für 21 Pfund Stirling erworben werden.

Bull Rock liegt am Eingang vom Kenmare River, fünfeinhalb Meilen vom Festland und zweieinhalb Meilen von Dursey Island entfernt. Seine Spitze liegt etwa 100 Meter über dem Meeresspiegel. Die Seiten des schroffen Felsens sind rau und fallen steil ab. Bemerkenswert ist der natürliche Tunnel, den das Meer in hunderttausenden von Jahren durch den Felsen gegraben hat.

Am 21. April 1888 landete eine Gruppe von Bergleuten, ausgerüstet mit Seilen, Bolzen, leichten Spaten und Bohrgeräten, auf dem Bull Rock und erklommen den schwierigen Felsen. Ungefähr in der Höhe von 30 Metern fanden sie einen passenden Platz, um dort eine Plattform zu errichten. Sie stellten eine Bauhütte auf, und lagerten Wasser, Proviant und Kohle. Im Laufe der nächsten Wochen schlugen sie über 300 Stufen in den Felsen bis zur Spitze und räumten dort 15.000 Kubikmeter harten Felsen weg, um die Basis für die Leuchtturm-Anlage zu schaffen.

Der Bull Rock mit Cow im Vordergrund

Zu dieser Zeit kollabierten gerade die Kupfer-Preise und viele Bergleute verloren ihren Job in den nahen Minen von Allihies. Viele von ihnen verließen Irland und fanden neue Jobs in den Kupfer-Minen in Butte/Montana/USA. Einige Arbeiter fanden einen neuen Job beim Bau der Leuchtturm-Anlage. Am 1. Januar 1889 nahm dieser Leuchtturm seinen Betrieb auf, das provisorische Licht auf Dursey erlosch. Die Station auf dem Bull Rock besteht aus einem achteckigen Leuchtturm, Wohnstätten für die Wächter, einem Gaswerk zur Produktion des Gases für die Brenner der Laternen und des Nebelhornes, einem Boot-Landeplatz, sowie einer Seilwinde, um Material nach oben zu bringen. Die große Linse, die das Licht verstärkt auf das Meer warf, eine bi-form hyper-radial optic war seinerzeit die größte in Irland.


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 Die erste bedeutende Erneuerung (1. April 1902) war der Wechsel des Nebelhorns von Gasexplosion auf drei Trompeten, die durch Luft-Kompressoren ausgelöst wurden. Der nächste Schritt erfolgte am 28. Juni 1910, als man das Gas für die Laternen durch Paraffin ersetzte. Auf der Spitze des Felsens gibt es auch eine relativ ebene Stelle, auf der ein Hubschrauber-Landeplatz gebaut wurde. Am 29. Oktober 1969 landete der erste Helikopter. Erst am 21. August 1974 wurde das Paraffin durch elektrischen Strom ersetzt. Und am 31. März 1991 wurden die Leuchtturm-Wärter abgezogen und durch automatischen Betrieb ersetzt. 40 Männer verloren ihren Job. Die alten, großen Scheinwerfer wurden durch kleinere Quarz-Halogen-Lampen ausgetauscht. Inzwischen ist auch dies schon wieder überholt. Am 6. Oktober 2000 wurde Solar-Strom installiert und die Laternen durch moderne Technologie ersetzt: Pelangi PRL400 electric lantern with a 35W CDM discharge lamp powered by 32 50W solar panels and a 24V 5,500 Ah battery. Fachleute mögen wissen, was das für Lampen sind, ich hab da keine Ahnung!

Die westliche Spitze von Dursey Island mit (v.l.) Calf, Cow und Bull Rock

Die westliche Spitze von Dursey Island mit (v.l.) Calf, Cow und Bull Rock

Das Fernsehen wurde erst sehr spät in Irland eingeführt: im Jahr 1961–  und nicht jeder konnte sich gleich von Anfang an einen Fernsehapparat leisten. Wir kennen das ja aus den frühen 50-er Jahren in Deutschland. Zunächst standen die Apparate in den Schaufenstern der Elektroläden, und wenn es interessante Sendungen gab, dann bildete sich vor den Schaufenstern eine Gruppe Schaulustiger. So auch in Irland. Die Leuchtturm-Wärter waren da besser dran. Sie gehörten zu den ersten, die auf ihrer „Leuchtturm-Festung“ einen Fernseher hatten. Mein Freund Connie erzählte mir von einer Begebenheit aus diesen frühen Jahren: Es stand das Finale im Gaelic Football an, und jeder Ire war natürlich scharf darauf, eine Möglichkeit zu ergattern, wo man die Übertragung live anschauen konnte. Es gab immer einige pfiffige Skipper, die eine gute Connection zu den Leuchtturm-Wärtern hatten, und so machte sich auch an diesem Final-Tag ein Boot mit ein paar Interessierten auf zum Bull Rock, wo die Football-Fans mitten um Meer in der „ersten Reihe“ saßen!

Es darf auch nicht unerwähnt bleiben, daß auf dem Festland am Dursey Sound, in der Nähe des heutigen Cable Cars,  ein solides Gebäude stand, das den Leuchtturm-Wärtern und ihren Familien mehr als 70 Jahre als Wohnhaus diente. Dort gab es auch Räume für Handwerker, die nur zeitweilig dort wohnten, wenn sie für Wartungs-Arbeiten und Reparaturen auf dem Bull Rock zutun hatten. Für die Familien gab es dort sogar einen kleinen Garten, in dem sie Gemüse anbauten. Die Kinder gingen in die örtliche Schule, und an den Sonntagen wurden die Familien von einem lokalen Unternehmer in der Pferdekutsche zur Kirche gefahren. Das waren Zeiten . . . 

Es muß wohl sehr fröhlich dort zugegangen sein, denn wenn die Schicht eines Wärters zu Ende war und er aufs Festland zurückkehrte, war der Heimkehrer in der Regel ein großzügiger Gastgeber und spendierte ein oder gar zwei Fässer Guinness – und die Nachbarn nahmen dann gerne an Tanz, Gesang und Umtrunk teil. Mit der Einführung des Radio-Telefons zogen die Familien ins „komfortablere“ Städtchen Castletownbere. Das Haus am Dursey Sound stand lange leer und wurde im Dezember 1946 für die bescheidene Summe von 260 Pfund verkauft. Der Käufer war aber eher an den sehr soliden Holztreppen und den Dach-Schieferplatten interessiert, die er ausbauen und nach Castletown bringen ließ. Erst 1990 kam ein neuer Eigentümer, der das dachlose Gebäude zu neuem Leben erweckte. 

Dursey Sound

Das Wärterhaus am Dursey Sound

Peter BernhardtDer Autor: Peter Bernhardt lebt seit dem Jahr 2000 in Eyeries auf der Beara Peninsula in West Cork. Bis zu seinem Ausscheiden aus seinem Arbeits-Leben war er Art Direktor und Werbeleiter. Seine Liebe zu Irland hat er 1967 auf einer fünfwöchigen Fahrradtour durch den Süden entdeckt. Danach folgten mehrere Irland-Urlaube mit Familie, bis 1987 ein altes Cottage seine Aufmerksamkeit weckte und darum warb erworben zu werden. Peters Interessen sind unter anderem Archäologie, lokale Geschichte und Storytelling.

PS: Peters Geschichten von der Beara Peninsula erscheinen regelmäßig hier auf Irlandnews.

Alle Fotos: André Bernhardt, außer: ganz oben (Foto: Irish Lights) und ganz unten.