The Cottage bei Ardgroom: Es bleibt nur eine Ruine des einst stolzen Herrenhauses

The Cottage bei Ardgroom: Es bleibt nur eine Ruine des einst stolzen Herrenhauses

Geschichten von der Beara-Halbinsel im Süd-Westen Irlands (Teil 12)

von Peter Bernhardt* 

Der Geschichten-Zyklus über das ländliche Irland an der Atlantikküste geht in die zwölfte Runde. Der Autor Peter Bernhardt* erinnert heute an ein einst stolzes Herrenhaus auf der Beara-Halbinsel und an seine Bewohner: The Cottage in Reenavaude bei Ardgroom.  

cottage ardgroom

Einst Prachtbau, heute Ruine: The Cottage

Dies ist die Geschichte des Cottage in Reenavaude in der Nähe von Ardgroom: Auf die herrliche Süd-Lage des Townlands Reenavaude und auf dessen Panorama-Aussicht wurde die wohlhabende aus Wales stammende Puxley-Familie früh aufmerksam. Henry Lavallin Puxleys erste Frau Katherine Ellen Waller zeigte großes Interesse an diesem Ort auf der Nordseite der Beara Peninsula, um dort ein Herrenhaus bauen zu lassen. Man schrieb das Jahr 1850. Frau Puxley war eine sehr anspruchsvolle Frau und nicht sehr beliebt in der Bevölkerung. Den Plan für das Haus entwarf der Architekt O’Grady – dessen Vater war (protestantischer) Pfarrer in Castletownbere, sein Bruder war Standish O’Grady, Schriftsteller, Historiker und Rechtsanwalt.

Es war die Zeit der „großen Hungersnot“ und die Menschen waren froh, sich beim Bau dieses Hauses etwas verdienen zu können. Mrs Puxley führte persönlich die Aufsicht. Eines Tages kamen die Maurer und fragten Mrs Puxley nach einem Drink und hatten dabei etwas Besseres als nur Wasser im Sinn. Ihre Antwort war: „Geht rüber zum Fluß und trinkt mit den Enten“! Einer der Maurer soll auf Irisch gemurmelt haben: „Wenn du uns nichts zu trinken gibst, dann geben wir Dir was zu trinken“! Als die Arbeiten beendet waren, die Räume dekoriert und eingerichtet, zeigte sich ein riesiger Wasser-Fleck im Inneren. Mrs Puxley wurde geraten, einen äußeren Wetterschutz aus Schiefer-Platten anbringen zu lassen, das würde das Eindringen der Feuchtigkeit verhindern. Und so gab sie den Auftrag dazu, aber die Reparatur kostete sie deutlich mehr als nur ein Faß Porter.

Puxley Grab

Das Grab von Katherine Ellen Puxley auf dem Friedhof in Adrigole

Es wurde ein sehr schönes Herrenhaus mit zwölf Räumen, nebst Ställen und Kutschen-Schuppen. Hausherrin Puxley taufte das Haus in grandioser Untertreibung The Cottage. Und so wird die Ruine auch heute noch genannt. Katherine Ellen Puxley ließ auch eine Allee und Kieswege anlegen, sowie Bäume und Büsche pflanzen. Mrs. Puxley hatte jedoch nicht sehr viel von ihrem neuen Haus. Sie wurde krank und starb am 10. Juli 1872 in Dunboy Castle im Alter von nur 36 Jahren. Laut einigen Dokumenten soll sie bei der Geburt ihres dritten Kindes gestorben sein. Das erscheint aber eher unwahrscheinlich, denn diese Kinder werden nirgendwo in den Familien-Akten erwähnt. Sie ist auf dem alten protestanischen Friedhof in Adrigole begraben. Ihr Ehemann, Henry Lavallin Puxley, verließ nach der Beisetzung Irland und kehrte nie zurück.


Tipp: Das Dörfchen Ardgroom und die Beara Pensinsula entdecken und erleben Sie am besten in den Natur-Ferien mit Wanderlust . . . . Klick


Für eine Weile blieb das Haus unbewohnt, bis Pfarrern der Church of Ireland erlaubt wurde, dort einzuziehen. Der erste von ihnen war Rev. Michael O’Toole. Leider wurde auch er nicht alt in diesem Haus. Eines Abends, als er auf dem Wege nach Hause war, scheute sein Pferd, er fiel herunter und brach sich den Schädel. Nach drei Tagen war er tot, nur 41 Jahre alt. Der nächste Pfarrer, der ins Cottage einzog, war James Goodman. Die Goodman-Familie war schon im frühen 17. Jahrhundert von Wales nach Irland gekommen. Nebenbei bemerkt: Einer der Goodmans, Gabriel (1528-1601), war Dekan in Westminster und hat die Westminster-Schule gegründet. Der erste “irische” Goodman wurde in West-Kerry Gutsverwalter bei der Aristokraten-Familie Mullens, dem späteren Lord Ventry.

Goodmann Family

Die Goodman-Familie

Schon der Großvater von James Goodman war Pfarrer in Dingle gewesen. Drei Meilen westlich von Dingle, am Ventry Strand, hatte die Familie ein für damalige Verhältnis großes Stück Land gepachtet und galt in den Augen der Nachbarn als kleiner Landadel. Hier wurde James als dritter von neun Kindern am 22. September 1828 geboren – er wurde einer der großen Sammler irischer Musik. Musik und Storytelling spielte eine wichtige Rolle im Leben dieser Menschen und auch der Goodman-Haushalt war Teil dieser Musik-Szene. So war es nicht verwunderlich, daß James sich schon früh für Musik interessierte. Er galt als First-Class Musiker, der Flöte und Dudelsack spielen konnte. Oft saß er an Sommer-Abenden mit seinem Freund Tom Kennedy zusammen und spielte die alten irischen Lieder. Das Spiel der beiden wurde als pure magic beschrieben. Tom Kennedy hatte ein Leben lang großen Einfluß auf James Musik-Kariere.

James Goodmann, der Musik-Sammler

James Goodmann, der Musik-Sammler

Im Juli 1846 wurde James am Trinity Collage in Dublin aufgenommen. Die irische Sprache gehörte auch zum Lehrplan, wenn man beabsichtigte, in den Dienst einer Kirche zu treten. James war sprachtalentiert und bekam ein Stipendium für Irisch und gewann auch einen Preis in Hebräisch. Er promovierte 1851 und wurde ordiniert als Diakon beim Bischof in Limerick und später als Priester in Cork. James heiratete Charlotte King und bekam drei Söhne. Die beiden älteren Söhne studierten Medizin und eröffneten eine Praxis zunächst in Cork, später in England. James, der Jüngste, ertrank bei einer Bootsfahrt auf dem Lough Hyne.

1858 wurde James Goodman in Killaconagh (Castletownbere) als Vikar eingesetzt. Der Rektor in dieser Zeit war Pfarrer Thomas O’Grady, Vater des Schriftstellers Standish J. O’Grady (1846-1928). Standish war der Groß-Neffe eines von Lord Nelsons Offizieren, der bei Waterloo gekämpft hat und zum General befördert wurde – aber das ist eine andere Geschichte.

Skulptur zu Ehren von James Goodman in Skibbereen

Skulptur zu Ehren von James Goodman in Skibbereen

James Goodman, seine Frau und seine drei Söhne lebten die nächsten acht Jahre im Cottage bei Ardgroom. James war sehr beliebt bei seinen Nachbarn und Mitmenschen, unabhängig von der Religions-Zugehörigkeit. Vermutlich bekam er hier die Anregung, irische Lieder und Musikstücke zu sammeln. Von seinem Kollegen John Hallahan bekam er die ersten Sets für Dudelsack (Uilean pipes). Mr. Goodman wurde einer der größten Gesangs- und Lieder-Sammler von traditioneller, irischer Musik. Heute befinden sich im Archiv des Trinity College in Dublin über 2300 von diesen, zum Teil vorher nie niedergeschriebenen Liedern. James Goodman zu Ehren wurde am 7. Juni 2005 eine Gedenktafel an den Überresten des „Cottage“ enthüllt.

Im Jahr 1866 wurde James als Canon of Ross nach Skibbereen beordert, wo er bis an sein Lebensende im Jahre 1896 mit seiner Familie lebte. Auch in Skibbereen war er ein aktiver Streiter der Kirche und hatte viele verschiedene Jobs, unter anderem betrieb und finanzierte er aus eigener Tasche den Wiederaufbau der heruntergekommenen lokalen Kirche. Zeitweilig verbrachte er ein halbes Jahr als Pfarrer in seiner Gemeinde und war ein halbes Jahr in Dublin Professor für Irisch am Trinity Collage.

James Goodman starb nach sechs-monatiger Krankheit am 18. Januar 1896. Seine beiden Söhne waren an seiner Seite. Der Trauerzug war über eine Meile lang. Die örtliche Zeitung Eagle berichtete: „Die Beerdigung fand am letzten Dienstag statt und hatte enorme Ausmaße. Es nahmen alle Klassen und Glaubensgemeinschaften der Gemeinde daran teil. Bemerkenswert war die allgemeine tiefe Traurigkeit, alle Geschäfte waren geschlossen, als Zeichen großen Respekts!“ Er ist beerdigt auf dem Friedhof in Creagh, neben seiner Frau und seinem Sohn. Die Stadt Skibbereen hat ihm ein Denkmal gesetzt.

Zurück zum Cottage: Für die Jahre 1866 bis 1871 nahm ein Mr. Miller den Platz dort ein und danach ein Mr. Manning. Er verließ das „Cottage“ im Jahre 1896, es war offensichtlich niemandem mehr zumutbar, dort zu wohnen, weil das einst stolze Anwesen inzwischen völlig heruntergekommen war. Keiner fühlte sich zuständig, die nötigen Instandhaltungs-Kosten zu tragen und so verfiel das Gebäude langsam und wurde Geschichte in Form einer Ruine.

Das Grab der Goodmans in Creagh, Skibbereen.

Das Grab der Goodmans in Creagh, Skibbereen.

Peter Bernhardt

Der Autor: Peter Bernhardt lebt seit dem Jahr 2000 in Eyeries auf der Beara Peninsula in West Cork. Bis zu seinem Ausscheiden aus seinem Arbeits-Leben war er Art Direktor und Werbeleiter. Seine Liebe zu Irland hat er 1967 auf einer fünfwöchigen Fahrradtour durch den Süden entdeckt. Danach folgten mehrere Irland-Urlaube mit Familie, bis 1987 ein altes Cottage seine Aufmerksamkeit weckte und darum warb erworben zu werden. Peters Interessen sind unter anderem Archäologie, lokale Geschichte und Storytelling.

PS: Peters Geschichten von der Beara Peninsula erscheinen regelmäßig hier auf Irlandnews.

Alle Fotos:  Peter Bernhardt (mit Ausnahme der beiden historischen Goodman-Aufnahmen).