Irland

Heute ist, wenn man Marketing-Mary und eventgetriebenen Gälenfans folgen will, der 24st-letzte Tag vor dem Tag aller Tage: Paddy´s oder St. Patricks Day. Wir glauben es ihnen unbenommen, weil es sich an fünf Händen nachzählen lässt, und schweigen dann — grün im Gesicht und leicht beschämt. Noch 24 Tage, bis “Grün Total”, bis das Himmelreich in Grün gestrichen wird. Doch heute ist:

Aschermittwoch – Asche aufs Haupt, das Aschekreuz auf die Stirn, Schluss mit Fasching, Fasnet und Fassenacht, die in Irland gar nicht erst angefangen hat, weil es derlei hier nicht gibt. Heute beginnt aber auch im post-katholischen Irland die Fastenzeit, in englisch “Lent” – was ursprünglich “lang” und “Frühjahr” bedeutete: die Zeit, wenn die Tage länger werden.

In vielen irischen Schulen verpflichten sich die Kinder und Jugendlichen heute darauf, in den kommenden 40 Tagen (die eigentlich 46 sind, wenn man die Sonntage dazu zählt) auf etwas zu verzichten, zu fasten eben. Dabei wird der Fasten-Begriff durchaus modern interpretiert: Die Menschen hier verzichten bis Karsamstag auf etwas, was sie zuletzt im Übermaß genossen haben. Manche leiten deshalb am Aschermittwoch ein Fernseh-Lent ein, andere ein Playstation-Fasten und ganz Radikale verordnen sich ein 40-tägiges Medien-Fasten ohne Spielkonsole, Fernsehen, iPod und DVD-Payer. Wieder andere versuchen, sechs Wochen lang einen weiten Bogen um Süßigeiten, oder klassisch um Fleisch (Carnevale heißt bekanntlich “Tschüss Fleisch”),  um Alkohol und Zigaretten zu machen. Besonders Schlaue verzichten auf den Verzicht – und tun ansonsten so, als ob es keine Fastenzeit gibt.
Irland-Blog-Autorin Nicola schlug vor zwei Jahren an dieser Stelle vor: “In dieser klar umrissenen Zeit mal eine neue Lebensform ausprobieren – zum Beispiel mal sechs Wochen nur Bio-Lebensmittel kaufen. Austesten: Wie geht’s mir damit, ist das alltagstauglich, wieviel Geld geb ich dafür aus? Ostern kann man dann schön überlegen, ob und wie man weiter macht.” Auch zwei Jahre später eine gute Idee, Nicola.
Man könnte versuchen, sechs Wochen lang ohne Auto, ohne Lustkäufe oder ohne Überstunden zu leben, ohne Sex oder ohne Schimpfworte, ohne negative Gedanken oder ohne Urteile und Vorurteile gegenüber den Mitmenschen.
Es kann sein, dass Verzichten neue Einsichten bringt, dass der Mangel uns bereichert, dass Weniger tatsächlich mehr ist.  Auf was verzichtet Ihr? Vielleicht auf den Patricks Day 2012, den eingebauten Super-Unterbrecher im irischen Fastenzyklus?