Seit der vergangenen Woche finden die Abschluss-Prüfungen an Irlands Schulen statt, und wie fast jedes Jahr, wird auch das 2010er Leaving Cert von einem netten Skandal begleitet, der das mediale Irland in heftige Erregungszustände versetzt. Im vergangenen Jahr sorgte die vorzeitige Veröffentlichung von Prüfungsfragen im Internet für Prüfungschaos, nachdem ein schnarchsäckiger Aufseher den Prüflingen einer Schule die falschen Aufgaben ausgeteilt hatte.

In diesem Jahr hält erneut die anarchische Kraft des Internets den irischen Lehrkörper bis hinauf zum Erziehungsminister in Atem: Am Wochenende erzielte in Irlands größtem Web-Forum boards.ie eine Dikussion über aktuelle Mogelpraktiken in den bisherigen Prüfungen Rekord-“Einschaltquoten”. Ein Abschlussschüler berichtete dort über die Spickereien und Mogeleien von Mitschülern, die er selber beobachtet hatte. Danach wandte sich der geplagte Denunziant auch direkt an die staatliche Prüfungskommission.

Die staatlichen Prüfer ließen eilfertig verlauten, dass man die Internetforen und sozialen Netzwerke genau beobachte und dass in diesem Jahr erstmals Untersuchungen aufgenommen wurden: Die im Internet geschildertern Fälle “möglicherweise gravierender Betrügereien” will die Prüfungkommission aus eigener Initiative eingeleitet haben, noch bevor der jetzt im Web gerne als “der Spitzel” beschimpfte Informant seinem Beichtdruck nachgab. Man merkt: Der Feind liest mit – er hat sich auch mit Facebook, Boards und YouTube angefreundet.

Es sind die üblichen Methoden, die Generationen von Schülern praktiziert und verfeinert haben, ergänzt um den Einsatz zeitgemäßer Strategien mittels iPhone und Google-Handy. Prüflinge verstecken Spickzettel in Mützen und Socken oder unter Toilettensitzen, müssen wegen “schwacher Blasen” zum Telefonieren auf die Toilette, checken Wikipedia oder simsen Ergebnisse via Mobiltelephon.

Im kleinen Irland, wo die Abschlussprüfungen für das gesamte Land zentral gesteuert werden, ist nun sogar der Erziehungsminister gefordert. Er kann Mogler nach eigenem Ermessen von den Prüfungen ausschließen und sie mit einem Prüfungsbann belegen. Traurige Berühmtheit erlangte vor zehn Jahren der damalige Schulminister Willie O’Dea. Er spielte sich als oberster Sittenwächter auf und verbot den kultverdächtigen irischen Film “Wie man in den Abschlussprüfungen erfolgreich mogelt”. Der wenig vorbildliche Minister O´Dea ist mittlerweile Geschichte, er stürzte über einen unappetitlichen Politskandal. Die Spicker und Schummler wird es dagegen auch in den Leaving-Cert-Prüfungen in zehn Jahren noch geben.

PS: A propos Stürzen in der Politik: Ministerpräsident Brian Cowen muss sich in dieser Woche wieder einmal einem Misstrauensvotum im Parlament stellen. Seit Monaten ist die Fianna-Fail-Regierung am Ende, hält sich dank der devoten Koalitionspartner von den Grünen und dank einer zerstrittenen Opposition aber schwankend im Amt. Ob diese Woche alles anders wird? Nun scheint eher realistisch, dass Fine-Gael-Chef Enda Kenny diese Woche politisch nicht überleben wird. Die Opposition jedenfalls hat ein veritables Problem mit sich selbst. Führer Kenny wird sich am Donnerstag dem Votum seiner gespaltenen Fraktion stellen müssen. Immerhin: Die Labour Party ist Umfragen zufolge mittlerweile unumstritten stärkste Partei im Land; der Wandel im politischen Irland kommt auf leisen Sohlen. 


Bild: ARDSCOIL LA SALLE, Dublin 5